Corona im DFB-Team durchkreuzt Flicks WM-Generalprobe

In einem blauen SUV fuhren Leon Goretzka am Lenkrad und Beifahrer Manuel Neuer vom Parkplatz des Teamhotels. Ein Corona-Störfall hat zentrale Pläne von Hansi Flick für die so wichtige WM-Generalprobe gegen Ungarn und England abrupt durchkreuzt.

Der Nations-League-Abschluss der deutschen Fußball-Nationalmannschaft mit dem vom Bundestrainer angestrebten Gruppensieg muss ohne die Leistungsträger stattfinden.

Neuer und Goretzka, die noch am Sonntag zuvor mit dem FC Bayern beim traditionellen Oktoberfestbesuch der Mannschaft auf der Münchner Theresienwiese im Festzelt saßen, mussten nach positiven Corona-Tests aus dem DFB-Quartier in Gravenbruch bei Frankfurt abreisen. Auch der Dortmunder Julian Brandt fällt aus – ihn zwang nach DFB-Angaben ein grippaler Infekt zur Abreise.

Das Virus hat den DFB-Tross wieder erwischt

Bei Schnelltests aller Spieler, Trainer und Betreuer war das Ergebnis bei Torwart Neuer und Mittelfeldspieler Goretzka positiv ausgefallen. Im privaten Umfeld eines Spielers hatte es einen Corona-Fall gegeben, woraufhin die medizinische Abteilung des DFB um Professor Tim Meyer sofort aktiv wurde. Das Virus hat den DFB-Tross wieder erwischt und ist nur zwei Monate vor dem WM-Start als beinahe schon verdrängte Gefahrenquelle in das Bewusstsein zurückgekehrt.

«Klar, die Alarmglocken gehen bei einem an, weil es unmittelbar erstmal heißt, man ist raus und kann der Mannschaft nicht helfen», sagte der Gladbacher Jonas Hofmann. Das könnte auch bei der WM in Katar passieren! Hofmann verpasste wegen einer Corona-Infektion auch schon mal Länderspiele. Der 30-Jährige wollte eigentlich zwei Tage vor der Partie gegen Tabellenführer Ungarn gemeinsam mit Geburtstagskind Thilo Kehrer (26) und Kapitän Neuer bei der DFB-Pressekonferenz über WM-Ziele statt Corona-Probleme reden.

Neuer und Goretzka sind immerhin «symptomfrei»

Flick reagierte auf die neue Lage zunächst mit der Nachnominierung des Hoffenheimer Schlussmannes Oliver Baumann für Neuer. Gegen Ungarn dürfte am Freitag (20.45 Uhr/ZDF) nun Marc-André ter Stegen im Tor stehen. Alternative zum Schlussmann des FC Barcelona wäre der Frankfurter Kevin Trapp. Zudem wurde der Wolfsburger Mittelfeldspieler Maximilian Arnold nachnominiert.

Der Corona-Alarm beim Nationalteam, das am Donnerstag mit dem Zug von Frankfurt in den Spielort Leipzig reist, ist mit der Abreise von Neuer und Goretzka nicht vorbei. Die Kontaktpersonen des Bayern-Duos würden weiterhin «täglich getestet», teilte der DFB mit. Das Zittern geht also weiter. «Nach zwei Jahren mit der Pandemie greifen die gewohnten Abläufe unserer medizinischen Abteilung», berichtete Nationalmannschaftssprecherin Franziska Wülle. Neuer und Goretzka sind immerhin «symptomfrei», wie die 30-Jährige mitteilte.

Anreisevoraussetzung für alle Spieler und auch das Team hinter dem Team war laut DFB ein negativer Antigen-Schnelltest gewesen. Das Corona-Comeback bei der Nationalelf überrumpelte den Tross. «Generell hat sich der Umgang vielleicht ein bisschen verharmlost, nicht nur hier, sondern generell im Alltagsleben», sagte Hofmann, der befand: «Unsere medizinische Abteilung hat da gut, schnell und richtig gehandelt. Hoffentlich werden wir keine Fälle mehr haben.»

Vor einem Jahr hatten nach einem positiven Test von Niklas Süle gleich mehrere Spieler als Kontaktpersonen aus dem Teamhotel in Wolfsburg abreisen müssen, darunter der damals noch ungeimpfte Joshua Kimmich. Das hatte zu aufgeregten öffentlichen Debatten geführt.

Ziel bleibt «beide Spiele zu gewinnen»

Der Fußball, die Nations League und die WM rückten zumindest für kurze Zeit in den Hintergrund. Flick ließ am zweiten Trainingstag in zwei Gruppen üben. Standards, also Ecken und Freistöße, standen dabei im Mittelpunkt, wie Verteidiger Kehrer nach der geheimen Einheit auf dem DFB-Campus berichtete. Der Ausfall von Neuer und Goretzka wirft Flicks Aufstellungspläne gegen Ungarn und England um, aber ändert nichts am Ziel des Bundestrainers, «beide Spiele zu gewinnen».

Flicks Ehrgeiz steckt die Spieler an. «Hansi lebt das vor, jedes Länderspiel gewinnen zu wollen, die Nations League gewinnen zu wollen», sagte Hofmann. Welcher Führungsspieler das Team gegen Ungarn als Ersatz-Kapitän für Neuer auf den Platz führen wird, ist offen. Thomas Müller, Ilkay Gündogan und Kimmich sind Kandidaten. Auf jeden Fall wird er es mit der Kapitänsbinde tun, die auch Neuer als Zeichen gegen Diskriminierung bei der WM in Katar tragen wird. Diese ziere «ein Herz in bunten Farben, die für Vielfalt stehen, sowie die Aufschrift ‚One Love’», wie der DFB mitteilte. «Das soll ein Zeichen von unserer Seite sein», sagte Hofmann. Die Nationalspieler wollen in Katar mehr als nur Fußball spielen.

Von Klaus Bergmann und Arne Richter, dpa