Dardai muss bei Hertha gehen – Korkut übernimmt Trainerjob

Der «kleine Pal» hat ausgedient. Bei Hertha BSC geht mit der zweiten Trennung von Pal Dardai die große Trainer-Fluktuation weiter. Der nächste Kandidat steht bislang aber auch noch nicht für in Berlin mit aller Macht herbeigesehntes Glanz und Gloria.

Tayfun Korkut heißt durchaus überraschend die erste Trainer-Wahl von Herthas Geschäftsführer Fredi Bobic. Mehr als drei Jahre nach dessen letztem Kurzzeit-Engagement beim VfB Stuttgart soll der 47-jährige Korkut den zwischen grauem Mittelmaß und akuter Abstiegsnot stagnierenden Fußball-Bundesligisten bis zum Saisonende zumindest in Richtung Big-City-Format führen.

«Mit Tayfun Korkut möchten wir der Mannschaft neue Impulse geben, er hat in der Vergangenheit schon unter Beweis gestellt, dass er ein Team nicht nur stabilisieren, sondern auch mit seiner akribischen Arbeit & Idee vom Fußball weiterentwickeln kann», wurde Bobic am Montag in einer Club-Mitteilung zitiert, in der zeitgleich die erneute Trennung von Club-Ikone und Rekordspieler Dardai nach gerade einmal zehn Monaten verkündet wurde.

Keine sportlichen Argumente geliefert

Zuletzt hatte Korkut 2018 für 22 Spiele den VfB Stuttgart trainiert. Davor war er auch nur für einige Monate Coach bei Bayer Leverkusen (12 Spiele) und dem 1. FC Kaiserslautern (18). Erstmals Cheftrainer war er bei Hannover 96 von 2014 bis 2015. «Ich danke Fredi Bobic und allen anderen Verantwortlichen von Hertha BSC für das Vertrauen. Ich stecke voller Energie und freue mich sehr auf diese spannende Aufgabe», sagte Korkut.

Dardai hatte nach seiner Trainer-Rückkehr im Januar und dem Klassenerhalt in der Vorsaison das unverändert nach Stabilität und Führung suchende Team nicht in die gewünschte Richtung führen können. Mit seiner oft hölzern-spröden, mal ironischen oder auch schnell beleidigten Art hatte der Ungar seine eigene Position immer wieder geschwächt und sportlich keine Argumente geliefert.

«Wir möchten uns bei Pal ausdrücklich für seine Arbeit bedanken. Er hat die Mannschaft in der vergangenen Saison übernommen und unter herausfordernden Umständen in der Klasse gehalten», sagte sein früherer Hertha-Mitspieler Bobic. Aktuell ist die Hertha Tabellen-14. mit nur einem Punkt Vorsprung auf den Relegationsrang. Ob Dardai wie nach seinem ersten Engagement nach einer Auszeit wieder einen Posten im Jugendbetrieb der Berliner übernimmt, ist noch nicht kommuniziert.

Zick-Zack-Kurs

Unter Dardai lief es in den vergangenen Monaten überhaupt nicht rund. Den weiter hohen Ansprüchen des von Investor Lars Windhorst zum «Big-City-Club» erklärten Traditionsvereins hinkte man hinterher. Der sportliche Zick-Zack-Kurs mit vielen Rückschlägen und nur wenig Mutmachern zwang die Führung letztlich zu diesem Schritt. Der Club verschliss in den vergangenen knapp zweieinhalb Jahren nach dem ersten wegen ständiger Mittelmäßigkeit beendeten Engagement von Dardai (2015-2019) in Ante Covic, Jürgen Klinsmann, Alexander Nouri, Bruno Labbadia vier weitere Trainer.

Nach dem gesicherten Ligaverbleib, der im Mai mit einem legendären Zigarren-Interview gefeiert wurde, waren die Berliner ganz schlecht in die neue Saison gestartet. Statements von Dardai nach dem 0:5 gegen den FC Bayern im August wurden von Bobic öffentlich kritisiert. «Wahrscheinlich sucht Hertha BSC seit langem einen großen Trainer. Pal ist ein kleiner Trainer, ein netter Trainer, er hilft aus so lange, wie es sein soll. Wenn ein ganz großer Trainer hier ist, geht Pal sofort zurück zur U16 und macht seine Sache wie früher», hatte Dardai mit beleidigtem Unterton gesagt.

Das kam bei Bobic überhaupt nicht gut an. Dennoch hatte er noch vor zehn Tagen beteuert, es gäbe keine Dissonanzen mit dem Trainer. Die Führung stand aber wohl schon länger nicht mehr hinter dem Coach, der sich nicht nur im Rausch des Klassenverbleibs gern mal abfällig über die Zielsetzungen und Philosophien von Geldgeber Windhorst äußerte.

Mögliche Siege verspielt

Zuletzt wurden bei den 1:1-Unentschieden gegen Bayer Leverkusen und den FC Augsburg mögliche Siege kurz vor Schluss leichtfertig verspielt, dazwischen gab es das ernüchternde 0:2 im Derby beim sportlich enteilten Lokalrivalen 1. FC Union Berlin. Dardai sprach immer nur von Tagesform und guten Trainingsleistungen seiner Spieler.

Nun hielt Bobic den Zeitpunkt für eine lange schon vermutete Trennung für gekommen. Immer wieder war über den zuletzt bei Spartak Moskau arbeitenden Domenico Tedesco oder den mittlerweile beim VfL Wolfsburg gelandeten Florian Kohfeldt spekuliert worden. Ralf Rangnick galt in Berlin bei vielen Beobachtern als Master-Lösung, hätte aber mit seinen Ideen wohl die Strukturen um Bobic tangiert und ist nun eh bei Manchester United.

Korkut ist ein Überraschungskandidat, für Berlin, wo man ja eigentlich größer und perspektivisch in Titelkategorien denken möchte. Für Korkut steht die erste Hertha-Bewährungsprobe im Abstiegskampf am Sonntag bei seinem Ex-Club VfB Stuttgart an.

Von Arne Richter, dpa