Darts-WM: Der umstrittene Fall Sherrock

Weihnachten war für Fallon Sherrock in diesem Jahr schon vor dem ersten Advent. Im November, als die 28 Jahre alte Darts-Spielerin die WM-Teilnahme zu verpassen drohte, kam der Weltverband PDC mit einer Modifikation um die Ecke und bescherte der «Queen of the Palace» eine Rückkehr in den Alexandra Palace, wo sie im Dezember 2019 Darts-Geschichte geschrieben hatte.

Offiziell nannte es zwar niemand Wildcard, genauso fühlte es sich aber an. Und so ist die beliebte Engländerin vor ihrem ersten Auftritt am Dienstag (22.00 Uhr/Sport1 und DAZN) gegen Landsmann Ricky Evans mal wieder ein beliebter Streitfall.

Debatte um Frauen-Quote

Routinier Vincent van der Voort ist von der kurzfristigen Entscheidung zu Sherrocks Gunsten pikiert. «Ich mag Fallon, sie ist eine großartige Spielerin und hat für den Darts-Sport viele gute Dinge getan. Aber wenn man sich nicht qualifiziert, qualifiziert man sich nicht», sagte der 47 Jahre alte Niederländer.

Er gilt grundsätzlich als Gegner der Frauen-Quote, die seit mehreren Spielzeiten bei zwei von 96 WM-Startplätzen liegt. Doch diese Quote reichte nicht für einen Start von Sherrock, weil ihre Landsfrauen Beau Greaves und Lisa Ashton besser waren. Als Sherrock es über diesen Weg nicht schaffte, verkündete die PDC kurzerhand, dass es erstmals einen dritten Platz für die Frauen gebe und dieser an die Siegerin des World Matchplay gehe. Das war – wenig überraschend – Sherrock.

«Wenn man ins Turnier kommt, sollte das aufgrund der richtigen Kriterien passieren und nicht, weil jemand sagt: ‚Du bist zwar nicht qualifiziert, aber wir finden einen Weg, Dich ins Turnier zu bekommen’», kritisierte van der Voort weiter. Für die PDC ist Sherrock, die bei der WM 2020 als erste Frau zwei Männer besiegt hatte, ein gigantisches Werbeinstrument. Spielt die ehemalige Friseurin, schauen stets viele Menschen gespannt zu – live und vor dem TV. Der wie eine Firma geführte Weltverband lässt sich so eine Chance ungern entgehen.

Sherrock Außenseiterin gegen Evans

Sherrock selbst, die gegen Turbowerfer Evans Außenseiterin ist, kann die Aufregung nicht verstehen. «Wieso sollte ich den WM-Platz nicht verdient haben? Ich habe ein Major-Turnier vor TV-Kameras gewonnen. Ja, es war ein reines Frauen-Turnier, aber es war trotzdem ein großer Wettbewerb. Jeder andere Major-Sieger darf doch auch bei der WM starten», sagte Sherrock der «Bild am Sonntag».

Wo Sherrock ist, sind sportpolitische Darts-Debatten meist nicht fern. Vor einem Jahr wurde nach ein paar eindrucksvollen Siegen eifrig diskutiert, ob die damals beste Frau der Welt auch in die Premier League gehört, einen hoch dotierten Schaukampf über mehrere Monate. Die Engländerin selbst kann oft gar nicht viel dafür. «Es gibt einige, die ihr den Vorwurf machen, sie hätte das nicht annehmen dürfen. Das finde ich lachhaft. Natürlich musst Du diese Chance wahrnehmen, wenn sie Dir geboten wird», sagte Darts-Experte Elmar Paulke der Deutschen Presse-Agentur.

Sherrock nahm natürlich an und ist nach dem frühen Aus von Greaves (0:3 gegen William O’Connor) und Ashton (2:3 gegen Ryan Meikle) die letzte verbleibende Frau beim Spektakel in London. Paulke sagte: «Es hat so ein Geschmäckle, weil es spät kam. Man hätte vielleicht zum Jahresanfang sagen können, die Siegerin des Womens World Matchplay ist auch mit dabei. Dann wäre es für alle viel entspannter gewesen.» Damals wusste aber noch keiner, wer das World Matchplay gewinnt.

Patrick Reichardt und Marc Niedzolka, dpa