DEB-Sieg gegen China Pflicht – Vorerst ohne Nowak

Bundestrainer Toni Söderholm war um gute Laune im Training bemüht. Auf den herben Auftaktdämpfer und die Verletzung von Führungsspieler Marco Nowak bei den Olympischen Winterspielen in Peking reagierte das deutsche Eishockeyteam mit demonstrativer Lockerheit.

«Wir sind alle so lange im Eishockey-Business, dass wir wissen, dass schlechte Laune nichts bringt», sagte Angreifer Matthias Plachta – einer von zehn Silbergewinnern von 2018 im Team. «Wir sind eine Truppe, die Riesenspaß zusammen hat.»

Dies war zuvor im Training trotz des üblen 1:5 gegen eine C-Auswahl von Rekord-Olympiasieger Kanada ohne NHL-Stars deutlich zu spüren. Auch ohne Nowak, der nach dem heftigen, aber ungeahndeten Check des Kanadiers Eric O’Dell am Donnerstag mit Verdacht auf Gehirnerschütterung vorerst ausfällt. Ob nur am Samstag (9.40 Uhr/ZDF und Eurosport) gegen Außenseiter China oder auch im letzten Vorrundenspiel am Sonntag (14.10 Uhr/ARD und Eurosport) gegen die USA, ist unklar.

«Heute ging es ihm schon besser als gestern», berichtete der Sportdirektor des Deutschen Eishockey-Bundes, Christian Künast. Da Nowak aber abseits des Eises schon wieder individuell trainierte, dürfte der 31 Jahre alte Verteidiger der Düsseldorfer EG in Peking wohl noch einmal spielen. Sehr wahrscheinlich aber nicht am Samstag gegen das Clubteam Kunlun Red Star aus der russisch geprägten KHL, das bei Olympia als Nationalteam Chinas aufläuft.

«Jeden Gegner ernst nehmen»

«Das ist eine Nation, die wir schlagen können», sagte Plachta, der natürlich weiß, dass ein Sieg gegen den großen Außenseiter Pflicht ist: «Das kann man so hinstellen. Man muss aber jeden Gegner ernst nehmen.» Abgesehen davon, dass sich nach dem besorgniserregenden Auftritt des selbst ernannten Medaillenanwärters gegen Kanada auch jede andere Einstellung verbietet, wäre alles andere als ein Sieg freilich eine Blamage. Über die Fragwürdigkeit des Olympia-Auftritts Chinas wurde beim 0:8 gegen das vornehmlich aus Collegespielern bestehende US-Team noch mehr deutlich, als bekannt war.

Wegen der deutlichen Unterlegenheit des Weltranglisten-32. – hinter Spanien und vor Australien – hatte der Weltverband IIHF sogar darüber nachgedacht, der Gastgebernation das traditionelle Olympia-Startrecht wieder zu entziehen. Um die Chinesen nicht zu brüskieren, wurde man kreativ und ließ das KHL-Team aus Peking bei den Winterspielen antreten. Die Mannschaft mit lauter Nordamerikanern spielt offiziell wegen der Corona-Pandemie schon seit einiger Zeit mehr schlecht als recht in Moskau. In der KHL ist Kunlun abgeschlagen Letzter. Den 13 Kanadiern, drei US-Bürgern und einem Russen Kunluns wurden kurzerhand chinesische Namen verpasst, und auch mit den eigentlich strengen Einbürgerungsformalien nahm man es wohl nicht so genau.

Söderholm: «Hauch Exotik» gehört zu Olympia

«Ich habe meinen US-Pass noch», berichtete etwa Jieke Kailiaosi, der eigentlich Jake Chelios heißt, und Sohn der NHL-Ikone Chris Chelios ist. «Ich bin eindeutig kein Chinese, aber ich spiele seit drei Jahren für ein chinesisches Team, bekam die Chance, hier zu leben, und ich liebe es», sagte Chelios. Gesprochen wird in der Kabine mit dem italienischen Coach Ivano Zanatta Englisch. Zumindest neun in China geborene Spieler wahren ein wenig den Schein. «Zu Olympia gehört doch auch immer ein Hauch Exotik», formulierte Söderholm diplomatisch.

Nach der Pleite gegen Kanada war der Finne mehr darum bemüht, sein Team wieder aufzubauen, als sich über Sinn oder Unsinn des chinesischen Teams Gedanken zu machen. Im Training am Freitag führte Söderholm auffallend viele Einzelgespräche. Mit vielen Schüssen teilweise auf das leere Tore sollte offensichtlich zudem das Selbstbewusstsein wieder belebt werden. «Wir hatten ein effizientes Meeting und jetzt ein gutes Training. Morgen haben wir wieder eine neue Chance», sagte Plachta. Der Mannheimer erlebte auch 2018 in Pyeongchag einen Olympia-Fehlstart mit damals gar zwei Niederlagen zum Auftakt. Danach war Deutschland immer besser geworden, nur 56 Sekunden fehlten am Ende gegen Russland im Finale zur Goldmedaille.

Von Carsten Lappe, dpa