Demütigung des FC Bayern – Kimmich stellt Mentalitätsfrage

Nach der neuerlichen Demütigung schlug Joshua Kimmich Alarm. Kaum war die deutliche 2:4 (1:4)-Schlappe beim VfL Bochum besiegelt, eröffnete der Bayern-Star beim eigentlich für seine unerschütterliche Mia-san-mia-Gesinnung bekannten Rekordmeister eine Mentalitätsdebatte.

«Es passiert zu oft. Das kenne ich von uns aus der Vergangenheit nicht, dass wir mehrfach vier, fünf Tore kassieren», klagte der Nationalspieler mit Bezug auf das ähnlich blamable 0:5 der Münchner im Pokal Ende Oktober in Mönchengladbach. Nachdenklich fügte er an: «Wir haben sämtliche Tugenden vermissen lassen. Wir müssen uns fragen, ob das die Mentalität der Bayern ist.»

Eine solche Diskussion war in den vergangenen Jahren eigentlich dem Verfolger aus Dortmund vorbehalten. Nicht nur die hohe Zahl an Gegentreffern in Mönchengladbach und Bochum könnte als Indiz für ein ähnliches Problem gewertet werden. Untypisch für die Bayern ist es zudem, dass alle vier bisherigen Saisonniederlagen gegen Mannschaften mit einem zweistelligen Tabellenplatz zustande kamen. Dass der Rückrundenauftakt gegen Gladbach verloren ging, war vielleicht noch mit den vielen Corona-Ausfällen zu erklären. Das galt dieses Mal nicht.

Auch Coach Nagelsmann bedient

Ähnlich bedient wie Kimmich wirkte Julian Nagelsmann. «Es war ein beschissenes Spiel. Wir sollten nicht die Spannung verlieren und sagen, die Liga soll wieder spannender sein», beklagte der Fußball-Lehrer die Niederlage gegen ein Team, das noch im vergangenen September mit 7:0 besiegt worden war.

Noch ist der Abstand zum Zweiten aus Dortmund komfortabel. Gleichwohl warnte Kimmich vor anhaltender Fahrlässigkeit. «So kann man in kein Spiel gehen. Egal wie viel Vorsprung wir auch haben.» Damit spielte der 27 Jahre alte Mittelfeldspieler auf die desolaten 31 Minuten vor der Pause an, als sich die furios aufspielenden Bochumer durch die Treffer von Christopher Antwi-Adjei (14.), Jürgen Locadia (38./Handelfmeter), Christian Gamboa (40.) und Gerrit Holtmann (44.) belohnten. Da konnte auch Weltfußballer Robert Lewandowski mit seinen Saisontoren Nummer 25 und 26 nichts mehr retten (9. und 75.).

Mehr als drei Tore in der ersten Hälfte kassierten die Bayern zuletzt 1975 in Frankfurt (0:5 zur Pause). «Das darf uns nicht passieren. Jeder Einzelne muss sich fragen, ob das alles ist, was wir jede Woche auf den Platz bringen», klagte Kimmich. So hatte sich der von der Hintermannschaft einige Male im Stich gelassene Torwart Sven Ulreich, der den verletzten Nationalkeeper Manuel Neuer vertrat, den Nachmittag sicher anders vorgestellt.

Dass einer der Leitwölfe aus dem Team Klartext sprach und die Mentalitätsfrage stellte, fand die Zustimmung von Nagelsmann: «Es ist immer gut, wenn so etwas aus der Mannschaft kommt. Das sollte aus der Mannschaft kommen und nicht von mir», kommentierte der Coach. «Wenn er sich so geäußert hat, wird ein Funken Wahrheit dahinter stecken. Und das sollte für alle eine Lehre sein.»

Trotz der eines Tabellenführers unwürdigen Leistung ersparte der Coach seinen Profis zur Pause eine Kabinenpredigt: «Wenn man in der Halbzeit 1:4 hinten liegt, muss man als Trainer nicht noch reinschreien. Dann muss jeder Spieler selber wissen, das war offensichtlich Grütze, was wir in den ersten 45 Minuten gemacht haben.»

Schnelle Abreise aus Bochum

Von der Party an der Castroper Straße mit minutenlangen Tanzeinlagen der Bochumer Himmelsstürmer und ihren jubelnden Fans bekamen die meisten Bayern nichts mehr mit. Schon kurz nach dem Schlusspfiff war ein Großteil der Mannschaft frustriert in der Kabine verschwunden. Der eilige Aufbruch aus der Revierstadt machte Sinn. Schließlich steht schon am Mittwoch das Achtelfinal-Hinspiel bei RB Salzburg an. Mit einer ähnlichen Leistung wie in Bochum dürfte auch dort nichts zu holen sein. Doch auf die Frage, ob ihm nun vor dem Spiel beim österreichischen Tabellenführer bange sei, antwortete Nagelsmann betont zuversichtlich: «Mir wird nicht bange.»

Von Heinz Büse, dpa