Denkwürdiges Spiel in Köln: FC überrollt Werder mit 7:1

Steffen Baumgart stapfte bei Temperaturen um den Gefrierpunkt im T-Shirt auf den Rasen des brodelnden Kölner Fußballstadions, als sei nichts passiert. Alles wie gehabt? Mitnichten! In einem denkwürdigen wie historischen Bundesligaspiel mit acht Toren hat der 1. FC Köln einen Bilderbuch-Start ins Jahr 2023 gefeiert und Aufsteiger Werder Bremen einen herben Dämpfer verpasst.

Insbesondere dank einer überragenden Leistung in der ersten Halbzeit überrollten die in die Winterpause getorkelten Kölner die Hanseaten mit 7:1 (5:1).

Bremens Fritz: «Waren in allen Belangen unterlegen»

Energisch redete Baumgart auf seine Spieler ein, ehe diese zum Feiern des höchsten FC-Siegs in der Liga seit fast genau 40 Jahren zu den Fans durften. In der kommenden Woche geht es zu den Bayern. Die Bremer Profis trotteten mit leeren Blicken in die Kabine – und schienen irgendwie einfach froh, dass Schluss war. So hoch hatte Werder zuletzt vor 36 Jahren verloren.

«Wir brauchen nichts schönzureden, wir waren in allen Belangen unterlegen», sagte Werders Sportchef Clemens Fritz nach dem Spiel bei Sky. «Aggressivität, Intensität, alles hat gefehlt.» Dass so ein Spiel vom Club angeboten worden sei, sei eine «Frechheit». Wenn man so auftrete, «gewinnt man kein Spiel», fügte der Ex-Profi an. «Wir haben alles vermissen lassen, was man vermissen lassen kann», sagte Marco Friedl.

Linton Maina (9.) sowie Steffen Tigges (15./21.) sorgten nach drei Bremer Aussetzern früh für eine hohe Führung. Ellyes Skhiri (30.) und Denis Huseinbašić (36.) trafen im 1712. Bundesligaspiel der Kölner zum schnellsten 5:0-Zwischenstand der Clubgeschichte. Erst zum zweiten Mal schoss der FC fünf Tore vor der Pause, Werder hatte in 58 Bundesliga-Spielzeiten noch nie so viele Gegentreffer in einer ersten Halbzeit kassiert.

Tigges war bei seinem zweiten Treffer gar aus 46,7 Metern erfolgreich. Skhiri (54.) erhöhte nach der Pause mit sehenswertem Scherenschlag. Bremens Marco Friedl (76.) unterlief ein Eigentor, das Werder-Tor durch Nationalspieler Niclas Füllkrug (38.) war viel zu wenig. Bremens Pechvogel war Füllkrugs Sturmpartner Marvin Ducksch, der die beiden ersten Kölner Treffer und damit das Debakel eingeleitet hatte.

Kölns Trainer Steffen Baumgart hatte Wort gehalten: Nachdem der FC-Coach ungewöhnlich offen seine komplette Startelf verraten hatte, ließ er sein Team im ersten Spiel des Jahres in exakt der angekündigten Formation auflaufen. So saß der im Winter von Hertha BSC geholte Ex-Bremer Davie Selke zunächst auf der Bank. Als er nach 58 Minuten kam, stand es schon 6:1.

Köln furios und wie im Rausch – Bremen desolat

Doch auch ohne ihn startete der FC schnell ein Offensiv-Feuerwerk. Die frühe Führung resultierte aus einer völlig missglückten Freistoß-Variante der Bremer Ducksch und Anthony Jung, ehe 17 Sekunden später Maina den eigentlich bereits zweimal vertändelten Konter vollendete. Für den 23-Jährigen, im Sommer aus Hannover gekommen, war es im 24. Pflichtspiel-Einsatz für Köln der zweite Treffer, der erste im heimischen Stadion.

Und die Kölner legten schnell nach: Der Ex-Bremer Florian Kainz, der seinen Vertrag unter der Woche bis 2025 verlängert hatte, eroberte nach Dukschs kapitalem Fehlpass den Ball, und Tigges vollendete aus zehn Metern mit links. Sechs Minuten später traf der Stürmer aus so großer Entfernung wie noch kein Bundesliga-Spieler in dieser Saison – und wieder profitierte er von einem kompletten Aussetzer der Bremer. Mitchell Weiser, in der Kölner Jugend groß geworden, brachte seinen Torhüter Jiri Pavlenka mit einem Rückpass ins Nichts in Not, der Tscheche rettete den Ball, spielte ihn aber Tigges mittig in den Fuß. Der 24-Jährige ging mit dem Ball noch über die Mittellinie und schoss ihn ins leere Tor.

Die Kölner agierten weiter wie im Rausch: Nach einem Ausrutscher von Maina flog der Ball durch den ganzen Strafraum und Skhiri schob hinten ein. Huseinbašić traf nach Ablage von Tigges, ehe Werder durch das Kopfballtor von Füllkrug ein minimales Zeichen des Aufbäumens setzte. Die Bremer Fans sangen ironisch: «Auswärtssieg, Auswärtssieg!» Stattdessen setzten sich direkt nach der Pause die Kölner Party und der Bremer Albtraum fort – zu allem Überfluss auch noch mit dem Eigentor.

Holger Schmidt, dpa