Die Gluthitze bekämpfte Lewis Hamilton auf seine eigene Weise. «Minus 110 Grad haben sich noch nie so gut angefühlt», schrieb der Formel-1-Rekordweltmeister zu einem Video bei Instagram. Oberkörperfrei, aber mit schützenden Handschuhen und einem Stirnband, hatte er Spaß, auch wenn die Wimpern vereisten.
In einer Kältekammer suchte der Mercedes-Star vor dem Großen Preis von Frankreich am Sonntag (15.00 Uhr/Sky) Ablenkung und Abkühlung. Bei dem Rennen in Le Castellet steigt der 37-Jährige nun in einen elitären Club auf: Als erst sechster Fahrer bestreitet Hamilton seinen 300. Grand Prix.
Ein Grund für eine Party ist das für den siebenmaligen Champion aber nicht. Solche Zahlen würden ihn zu sehr an sein Alter erinnern, sagte der Rekordjäger. Viel wichtiger ist es für den Vizeweltmeister, es wieder ganz nach vorne zu schaffen. «Ich arbeite auf den Sieg hin und glaube, dass wir das wieder schaffen werden. Keiner in unserem Team gibt auf und jeder macht Druck», sagte Hamilton.
Zwölf Rennen ohne Sieg: Hamilton will gewinnen
Für die Rückkehr an die Spitze schuftet und schwitzt – oder eben friert – Hamilton auch im hohen Rennfahreralter noch. Die für ihn ungewöhnliche Durststrecke von nun schon zwölf Rennen ohne Sieg soll endlich enden. Drei dritte Plätze in den vergangenen drei WM-Läufen zeigen einen Aufwärtstrend, der sich beim zwölften Großen Preis des Jahres in der Nähe des Mittelmeers fortsetzen soll.
«Ich freue mich über diesen Schwung, den wir aufnehmen, der die enormen Anstrengungen des Teams widerspiegelt», sagte Hamiltons Boss Toto Wolff. Der Motorsportchef der Silberpfeile ist davon überzeugt, dass es nach einem enttäuschenden Jahresstart nun «mit jeder Runde» gelingt, das Auto besser zu verstehen. «Es ist ermutigend zu sehen, dass sich das in unserer Weiterentwicklung und unseren Ergebnissen niederschlägt», sagte der Österreicher. Die Favoritenrolle schiebt Mercedes weiter clever an Red Bull und Ferrari, allerdings ist gerade die Hälfte der Saison vorbei. Bei noch elf anstehenden Rennen werden jede Menge Punkte vergeben – und die Konkurrenz fürchtet ein Erstarken des in den Vorjahren oft so dominanten Werksteams.
Hamilton will achten Titel – Rückstand ist groß
Noch sprechen die Zahlen aber klar gegen Mercedes und Hamilton. Der vegane Superstar mit dem großen Herz im Kampf gegen Rassismus und soziale Ungerechtigkeiten ist in der Gesamtwertung nur Sechster, liegt mit 109 Punkten satte 99 Zähler hinter Max Verstappen (208). Auch Teamkollege George Russell (128) steht vor dem Altmeister, der ein klares Ziel hat: Titel Nummer acht. Noch liegt er mit Michael Schumacher nach gewonnenen Weltmeisterschaften gleichauf, mit einer weiteren Trophäe würde er die Ikone hinter sich lassen. «Jetzt müssen wir uns weiter steigern, um wieder an die Spitze zu kommen», forderte Hamilton zuletzt in Österreich. Wolff stimmte zu: «Das Ziel ist es, den Rückstand auf die Spitze weiter zu verringern.»
In dieser Saison geben Red Bull und Ferrari das Tempo vor. Mercedes musste viel aufholen, wirkt nun aber gefestigt. Vor allem in Sachen Zuverlässigkeit scheint der deutsche Autobauer im Vorteil. Das könnte auch in Le Castellet wichtig sein, bei Temperaturen von über 30 Grad werden Fahrzeuge und Reifen enorm beansprucht. Hamilton konnte 2018 und 2019 schon an der Côte d’Azur gewinnen, wurde im Vorjahr Zweiter hinter Verstappen, der wieder als Favorit in das Rennen geht.
Keine Gedanken an Karriereende
Freiwillig verzichtet Hamilton auf das erste Training am Freitag. Nyck de Vries übernimmt das Cockpit des Routiniers. Im Laufe einer Saison müssen junge Fahrer ohne große Erfahrung in zwei Trainings eingesetzt werden. Hamilton entschied sich selbst dafür, seinen Platz nun in Frankreich zu räumen. Teamkollege Russell (24) wird zu einem späteren Zeitpunkt in der Saison für eine Einheit aussetzen.
Aufgrund seiner Erfahrung wird die Pause für Hamilton kein Nachteil sein. An ein Ende seiner Laufbahn denkt der 103-malige Rennsieger ohnehin noch nicht, besitzt einen Vertrag bis Ende 2023. Für einen weiteren Rekord müsste er allerdings noch länger fahren: Niemand saß so oft in der Formel 1 im Cockpit wie Kimi Räikkönen. Der Finne bringt es auf 349 Rennstarts in der Motorsport-Königsklasse.