Der Wintersport und seine vergeblichen Hoffnungen

Im Spätsommer war die Welt der Wintersportler noch in Ordnung.

Die Verbände hielten Medientage und Pressegespräche in Präsenz ab, inmitten der letzten Sommer-Events vor den allmählich zurückkehrenden Fans schienen die Leichtigkeit und die Vorfreude der Vor-Corona-Zeit Stück für Stück zurückzukehren. Vom Deutschen Skiverband (DSV) hieß es Anfang November, man plane «in allen sechs Bundesländern, in denen im kommenden Winter unsere insgesamt 32 Weltcuptage stattfinden» mit Zuschauern. Wintersportfeste beim Biathlon in Oberhof oder bei der Vierschanzentournee in Oberstdorf? Das schien tatsächlich möglich.

Doch in der Pandemie läuft es wieder einmal anders. In den kommenden Wochen werden sich nicht nur Fußballstadien leeren, sondern auch die Ränge traditioneller Wintersportstätten wohl verwaist bleiben. In Sachsen ist der Ausschluss der Fans bei Sportevents schon vollzogen, für Bayern und Baden-Württemberg ist er angekündigt.

Domino-Effekt

Wo vor dem Winter noch Hoffnung herrschte, setzt mit Beginn der Olympia-Saison ein Domino-Effekt ein: Die Großveranstaltungen fallen im Eiltempo um, für Alpine, Skispringer, Biathleten, Bobfahrer, Langläufer und Rodler mal wieder zum ungünstigsten Zeitpunkt. Stattdessen drohen leere Ränge und eine Atmosphäre wie sonst nur im Training. In Österreich, wo ebenfalls zahlreiche Großevents ausgetragen werden, herrscht derzeit wieder ein Lockdown. Die Rückkehr von großen Zuschauermengen beim Sport dürfte danach sicher nicht die höchste Priorität der Regierung haben.

Doch Corona hat nicht nur Einfluss auf die Atmosphäre, sondern auch auf den sportlichen Wettbewerb. Im Skispringen musste der starke Japaner Ryoyu Kobayashi jüngst wegen eines positiven Corona-Tests aussetzen. Auch im deutschen Team sind in Co-Trainer Andreas Wank und einem Betreuer bereits zwei Fälle aufgetreten. Der Betreuer habe im russischen Nischni Tagil zunächst eine «massiv schlechte Quarantäne» erlebt, wie Bundestrainer Stefan Horngacher schilderte.

Bei den Alpinen sind in Lake Louise jüngst zehn Corona-Tests positiv ausgefallen, bevor eine weitere Testreihe ergab, dass neun der zehn Tests doch negativ waren. In Sachen chaotische Zustände hat der zweite Corona-Winter also schon in seinen ersten Wochen jede Menge zu bieten. Die Hoffnung, dass die Impfung die Corona-Turbulenzen komplett beendet, wird sich nicht erfüllen. Aber sie mindert die Komplikationen.

Über dritte Impfung sprechen

Der DSV weist hohe Impfquoten auf. «Bei unseren Weltcup-Teams dürften inzwischen fast alle zweifach geimpft sein. Wir haben noch keine verbandsübergreifende Abfrage gemacht. Aber unsere Mannschaftsärzte haben das natürlich mit Blick Richtung Olympia auf dem Schirm», sagte Verbandspräsident Franz Steinle der Deutschen Presse-Agentur. Skisprung-Bundestrainer Stefan Horngacher sagte bereits im Oktober, die Erst- und Zweitimpfungen bei seinem komplett durchgeimpften Team seien schon so lange her, dass man über eine dritte Impfung sprechen müsse.

Spätestens bei den Olympischen Spielen in Peking (4. bis 20. Februar) werden die Athleten kaum um die Impfung herumkommen. Im restriktiven Gastgeberland China wird eine rigorose Strategie verfolgt. So müssten ungeimpfte Teilnehmer vor Beginn der Wettkämpfe drei Wochen in Quarantäne. «Ich glaube, das wird kein Sportler ernsthaft in Erwägung ziehen. Insofern gehe ich davon aus, dass bei unseren Olympia-Teilnehmerinnen und Teilnehmern alle geimpft oder genesen sein werden», sagte Steinle. Angesichts von überall steigenden Zahlen, Impfdurchbrüchen sowie den strengen Regeln der Weltverbände werden auch Geimpfte weiter engmaschig getestet.

Geisenberger prangerte Zustände an

Einen Vorgeschmack auf die Peking-Spiele inmitten der Pandemie erlebten bereits die Rodlerinnen und Rodler. Die viermalige Olympiasiegerin Natalie Geisenberger schrieb: «Wir haben sieben Tage ausschließlich negative Coronatests in unserer Mannschaft (die ganze Saison hatten wir noch keinen einzigen positiven Fall!), kein einziger Kontakt zu einem positiv Getesteten!» Geisenberger hatte sich aufgrund eines Irrtums bei der Kontaktnachverfolgung mehrere Tage komplett isolieren müssen.

«Wir dürfen nur aus dem Zimmer, wenn Bahntraining ist, bekommen nicht wirklich vernünftiges Essen in Plastikbechern und Tüten vor die Tür gestellt, haben keine Möglichkeit uns zu bewegen», prangerte Geisenberger die Zustände an. Sie schrieb davon, «eingesperrt zu werden» und kritisierte zudem die Organisatoren, die nach ihrer Aussage «Zeitlisten wild durcheinander würfelten». Chinas Härte im Kampf gegen Corona könnte die Wintersportler vor eine deutlich größere Probe stellen als leere Ränge in traditionsreichen deutschen Wintersportstätten.

Von Patrick Reichardt und Thomas Eßer, dpa