Die Frage nach dem «Weltmeister-Fluch» versucht Didier Deschamps stets wegzulächeln, doch seine Genervtheit kann der Trainer nicht verbergen. «Ich nehme eine Aspirin dagegen», scherzte der 54-jährige Franzose und versicherte, dass das «nicht in unseren Köpfen ist».
Das wird sich schwer vermeiden lassen. Denn wohin Deschamps und seine Spieler derzeit in Katar auch kommen, sie werden immer danach gefragt. Ob sie Angst haben, sich genau wie ihre Weltmeister-Vorgänger Italien, Spanien und Deutschland zu blamieren, indem sie beim Turnier nach dem Triumph direkt in der Vorrunde scheitern.
Australien wartet zum Auftakt auf Frankreich
Und die Franzosen haben auch schon ihre eigene Erfahrung damit gemacht. Vier Jahre nach dem Triumph 1998 schied ein Team um den angeschlagenen Zinedine Zidane und die damals aktuellen Torschützenkönige aus England, Italien und Frankreich sieg- und torlos in der Gruppenphase aus. Deschamps, Kapitän der 98er-Helden und der 2000er-Europameister, war da schon zurückgetreten.
«Das basiert nur auf Statistiken und Wahrscheinlichkeiten», sagte er nun vor dem Auftaktspiel seines Teams gegen Australien am Dienstag (20.00 Uhr/ZDF und Magenta TV): «Gewinnen ist schwierig. Es zu wiederholen, ist noch schwieriger. Das bestätigt diese Geschichte. Aber diese Mannschaft schreibt ihre eigene Geschichte. Sie beschäftigt sich nicht mit dem, was mal irgendwann war. Sie ist bereit für das erste Spiel.»
Das klingt angesichts der aktuellen Situation aber fast schon beschwörend. Denn zuletzt ereilten die Franzosen, bei denen es im Vorfeld auch wieder die fast schon traditionellen Nachrichten über Unstimmigkeiten und Eifersüchteleien im Team gegeben hatte, fast wöchentlich schlechte Nachrichten bezüglich des Personals. In N’Golo Kanté, Paul Pogba, Presnel Kimpembe, dem Leipziger Torjäger Christopher Nkunku und zuletzt sogar Ballon d’Or-Gewinner Karim Benzema fallen nun insgesamt fünf wichtige Spieler aus. Das ist selbst für diesen in der Breite so exquisit besetzten Kader eine erhebliche Schwächung.
Wie schwer wiegt der Ausfall von Benzema?
Dass Deschamps nach der Absage von Benzema vielleicht auf Kosten des hoffenden Leverkuseners Moussa Diaby auf eine Nachnominierung verzichtete und nun mit nur 25 statt der erlaubten 26 Spieler ins Turnier geht, kann deshalb auch als Zeichen verstanden werden. Ganz nach dem Motto: Bloß keine Panik. «Ich bin überzeugt, dass wir genug Spieler haben, um die Anforderungen zu bewältigen», sagte Deschamps dann auch betont gelassen: «Wir können bis zu 26 Spieler dabei haben, jetzt haben wir eben 25. Aber wir haben viele Möglichkeiten und alles, was wir brauchen.» Er habe bezüglich der Formation «viele Optionen. Dadurch, dass Karim leider nicht hier ist, haben sich einige Optionen verändert. Aber ich habe immer noch genug.»
Ob diese ausreichen, um wieder Weltmeister und damit der erste erfolgreiche Titelverteidiger seit 60 Jahren zu werden, wird sich zeigen. Um in einer Gruppe mit Australien, Tunesien und Geheimfavorit Dänemark das Vorrunden-Aus zu vermeiden und den Weltmeister-Fluch zu bannen, sollte es aber reichen.
Die voraussichtlichen Aufstellungen:
Frankreich: 1 Lloris – 17 Saliba, 4 Varane, 21 Lucas Hernandez – 2 Pavard, 8 Tchouameni, 25 Camavinga, 22 Theo Hernandez – 7 Griezmann – 9 Giroud, 10 Mbappé
Australien: 1 Ryan – 3 Atkinson, 4 Rowles, 20 Deng, 24 King – 22 Irvine – 10 Hrustic, 13 Mooy – 7 Leckie, 15 Duke, 11 Mabil
Schiedsrichter: Victor Miguel de Freitas Gomes (Südafrika)