In der Hammergruppe wird es jetzt ernst für Deutschlands Basketballer. Die schwer geschwächte Truppe um Neu-Kapitän Dennis Schröder muss innerhalb von sieben Tagen gegen den Olympia-Zweiten Frankreich, Europameister Slowenien mit Superstar Luka Doncic und Mitfavorit Litauen bestehen.
Dennoch herrscht kurz vor dem EM-Auftakt Zuversicht im deutschen Lager. «Frankreich und Slowenien müssen sich auch einen Kopf machen über Deutschland», sagte Schröder vor dem Start am Donnerstagabend (20.30 Uhr/Magentasport) gegen Frankreich. Zumal sich in Daniel Theis ein ganz wichtiger Spieler rechtzeitig fit meldete und auf den letzten Drücker den Sprung in den EM-Kader schaffte. «Ich habe viel getan und bin froh, dass das Knie hält», sagte der Center nach einem letzten Härtetest.
Theis ist dabei, Schilling wird gestrichen
Im Basketball-Campus, einer schlichten ehemaligen Fabrikhalle in Köln-Bickendorf, testete der 30 Jahre alte NBA-Profi von den Indiana Pacers im roten Trainingsshirt letztmals sein zuletzt lädiertes Knie. Dann stand fest: Theis ist dabei, Gavin Schilling wird als letzter Spieler aus dem Kader gestrichen. «Er ist sehr wichtig. Um unser Ziel zu erreichen, brauchen wir ihn», sagte Herbert über Theis. «Er hat eine große Präsenz unter dem Korb, Erfahrung gegen NBA-Spieler und er kann werfen.»
«Ich spüre eine große Vorfreude, die Heim-EM endlich anzufangen. Gegen Frankreich können wir gleich zeigen, was wir zu leisten im Stande sind», sagte Theis. Zum Pluspunkt soll das Heimpublikum werden: Erst die rund 18.000 Fans in der Vorrunde in Köln, dann die Finalrunde, die ab dem 10. September ausschließlich in Berlin steigt.
Um dort dabei zu sein, muss das Nationalteam in der kniffligen Sechsergruppe unter die besten Vier kommen. Bundestrainer Gordon Herbert verlor deshalb nach der Ankunft in Köln nicht viel Zeit und vertiefte an seinem Laptop in der Hotel-Lobby die Vorbereitung auf Frankreich. «Das Team sieht gut aus und freut sich auf Donnerstag. Wir müssen noch besser werden», forderte Herbert, für den die EM das erste große Turnier wird. Das 90:71 über Slowenien und Doncic am Sonntag in München war zwar ein Mutmacher. Nach der kolossal misslungenen WM 2019 mit dem Vorrunden-Aus gibt es aber noch einiges mehr gutzumachen.
Wagner: «Es ist eine Super-Ehre, dabei zu sein»
Bei dem von NBA-Superstars wie Nikola Jokic (Serbien), Giannis Antetokounmpo (Griechenland) und Doncic geprägten Turnier ruhen Deutschlands Hoffnungen auf Schröder und NBA-Jungstar Franz Wagner. «So eine Heim-EM passiert nicht so oft. Es ist schon mal etwas Besonderes für den Sport an sich. Es ist eine Super-Ehre, dabei zu sein», sagte der 21 Jahre alte Wagner.
Das mit Spannung erwartete Kräftemessen mit den Franzosen wird erst Wagners sechstes Länderspiel – aber das bisher gewaltigste, denn der Sport ist nur ein Teil des Abendprogramms. Vor Spielbeginn wird die deutsche Legende Dirk Nowitzki in Anwesenheit von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für ihre Verdienste im Basketball gewürdigt. Das Trikot wird unter die Hallendecke gezogen, die Nummer 14 nicht mehr vergeben. «Das ist eine extreme Freude für mich», sagte Wagner, der Nowitzki ein Vorbild seiner Kindheit und Jugend nennt.
Doch dann soll Schluss sein mit Pathos – und im besten Fall die erste EM-Medaille seit der Nowitzki-Ära im Jahr 2005 geholt werden. «Wir wollen es irgendwie schaffen, eine Euphorie zu entfachen. Wie das gelingt, wird sich zeigen. Das hängt natürlich auch vom sportlichen Erfolg ab», sagte Center Johannes Voigtmann im Wissen, dass es ein hartes Ringen um öffentliche Wahrnehmung wird. Im Gegensatz zur Fußball-EM der Frauen und den European Championships in München übertragen die Öffentlich-Rechtlichen nicht live. Zwar zeigt Magentasport die deutschen Spiele kostenlos, doch droht ein Turnier in der Nische.
Schröder betont die Stärken des Teams
Das klar formulierte Ziel Medaille hatten Herbert, Voigtmann und Wagner am Dienstag bei der großen Auftakt-Pressekonferenz nochmals demonstrativ wiederholt. Das wird trotz des Heimvorteils schwer, denn viele NBA-Spieler haben abgesagt. Szenarien, wonach mehr als die Hälfte des zwölfköpfigen Aufgebots aus den USA kommen könnte, zerschlugen sich schnell.
«Wir müssen mit dem arbeiten, was hier ist. Wir haben noch einen Weg zu gehen, aber wir finden uns so langsam», beschrieb Voigtmann den Kader, der ohne Maximilian Kleber (Dallas Mavericks), Moritz Wagner (Orlando Magic) und Tibor Pleiß (Efes Istanbul) vor allem auf den großen Positionen Probleme bekommen dürfte. Die Teilnahme von Theis ist da umso wichtiger.
Kapitän Schröder will nicht zu sehr auf die Fehlenden eingehen, sondern betont die Stärken seines Teams. «Unsere Teamchemie zeichnet uns aus. Wir haben viel Qualität und Talent im Team. Im Endeffekt müssen wir nur selbstbewusst an die Sache herangehen», sagte der 28-Jährige, der in der NBA derzeit vereinslos ist. Bei der Heim-EM 2015 und der WM 2019 hat Schröder schon zu spüren bekommen, wie viel er im Misserfolgsfall abbekommt. In der neuen Rolle als Führungsfigur wird der Druck sicher nicht geringer.