Deutsche Beckenschwimmer bei WM historisch schwach

Den spektakulären WM-Abschluss mit Weltrekord und La Ola erlebte Deutschlands Vorzeigeschwimmer Florian Wellbrock auf der Tribüne.

Statt um Gold zu kämpfen, blieb dem 25-Jährigen nach seinem unerklärlichen Vorlauf-Aus über 1500 Meter Freistil in der Marine Messe in Fukuoka nur die Zuschauerrolle. Mit einem Turbo-Start und zwei Freiwasser-Goldmedaillen hatte Wellbrock die WM begonnen. Mit einem sportlichen Komplett-Einbruch beendete er die Titelkämpfe.

In den prestigeträchtigen Beckenwettbewerben gewann Lukas Märtens mit Bronze über 400 Meter Freistil das einzige Edelmetall für die deutsche Mannschaft – eine so schwache Medaillenbilanz gab es bei Weltmeisterschaften noch nie. Insgesamt holte der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) bei den Wassersport-Wettkämpfen im Südwesten Japans dagegen so viele Goldmedaillen wie seit den Weltmeisterschaften 2009 zu Zeiten von Paul Biedermann, Britta Steffen und Thomas Lurz nicht mehr. Verantwortlich dafür war das Freiwasser-Team.

Erstmals seit 2017 ohne Beckenmedaille

«Was ich hier bei der Weltmeisterschaft im Pool gezeigt habe: Das ist nicht der Florian Wellbrock, der ich normalerweise bin», sagte Wellbrock. Sowohl über 800 als auch über 1500 Meter Freistil scheiterte er bereits im Vorlauf. Erstmals seit 2017 endeten Schwimm-Weltmeisterschaften ohne Beckenmedaille für den Ausnahmeschwimmer und Freiwasser-Olympiasieger. Sein Kumpel und Magdeburger Teamkollege Lukas Märtens belegte in einem hochklassigen 1500-Meter-Finale am Sonntag den fünften Platz.

Tags zuvor war Wellbrock nicht einfach nur ausgeschieden. Er erlebte einen schwimmerischen Alptraum. Wellbrock schlug nach 15:10,33 Minuten an und war damit mehr als 35 Sekunden langsamer als bei seinem deutschen Rekord auf der Distanz – eine Ewigkeit in seinem Sport. «Der Tag heute fühlt sich ein bisschen surreal an», sagte er nach seinem 20. Platz.

Dass der mentale Druck ein Grund für seine Leistung war, glaubt er eher nicht. «Das, was hier passiert, ist das, wofür ich jeden Tag aufstehe, was ich liebe, wofür ich brenne», sagte Wellbrock. «Natürlich ist der Druck irgendwo da. Das gehört dazu. Ich bin aber auch der Meinung, dass ich mit diesem Druck umgehen kann. Deswegen bin ich Wettkampfsportler, deswegen mache ich das so erfolgreich.»

Viele hatten beim gebürtigen Bremer auf ein Comeback wie 2019 gehofft. Damals war Wellbrock im südkoreanischen Gwangju ebenfalls über 800 Meter ausgeschieden und hatte sich dann zum Weltmeister über 1500 Meter gekrönt. «Er hat diesmal die Kurve nicht bekommen», sagte Langstrecken-Bundestrainer Bernd Berkhahn. «Jetzt geht’s darum, Florian wieder aufzubauen.» Wellbrock selbst ist sich mit Blick auf Olympia 2024 sicher: «Bis Paris kriegen wir das alles wieder gerade gebügelt.»

Maue Bilanz des DSV

Beim Kampf um die Podestplätze ist der DSV von wenigen Athletinnen und Athleten abhängig. Von der WM im vergangenen Sommer hatte das deutsche Becken-Team dreimal Silber und einmal Bronze mitgebracht. Neben Wellbrock, der einmal Zweiter und einmal Dritter wurde, steuerten auch Märtens und Brustschwimmerin Anna Elendt Medaillen bei. Diesmal lieferten Wellbrock und die verletzungsgeplagte Elendt nicht wie erhofft. Entsprechend mau sieht die Bilanz aus.

«Klar, wenn man nur auf die Medaillen schaut, fehlen im Vergleich zu letztem Jahr ein paar», sagte Wellbrock. «Aber trotzdem geht die Entwicklung in die richtige Richtung.» Wellbrock verwies auf die Leistungen von Brustschwimmer Lucas Matzerath, Schmetterlingsschwimmerin Angelina Köhler und Freistil-Ass Märtens. Sie und auch Wellbrocks Magdeburger Teamkollegin Isabel Gose stellten jeweils deutsche Rekorde auf und schöpften Mut für die Olympischen Spiele.

Für die ganz großen Momente sorgten allerdings andere. Der Franzose Léon Marchand nahm Michael Phelps über 400 Meter Lagen in 4:02,50 Minuten dessen letzten Einzel-Weltrekord ab. Die US-Schwimmlegende gratulierte unter dem Jubel der Fans in der Halle höchstpersönlich.

Litauerin Meilutyte stellt Weltrekord auf

Insgesamt zehn Weltbestmarken fielen bei der WM. Die Litauerin Ruta Meilutyte war in 29,16 Sekunden über 50 Meter Brust so schnell, wie noch nie eine Frau vor ihr auf dieser Strecke. Die erfolgreichsten Sportlerinnen und Sportler waren die Australierin Mollie O’Callaghan mit fünf Goldmedaillen und der Chinese Qin Haiyang, der viermal Weltmeister wurde.

Im Freiwasser setzte Deutschland in der ersten WM-Woche die Standards. Die «Freiwassernation», wie Wellbrock sagte, gewann in Fukuoka alle Einzeltitel dieser Disziplin. Neben Wellbrock krönte sich auch Leonie Beck zur Doppel-Weltmeisterin im Meer vor dem Momochi Seaside Park. Oliver Klemet holte zudem Bronze.

Zur DSV-Gesamtbilanz von viermal Gold und dreimal Bronze steuerten zudem die Wasserspringerinnen und Wasserspringer eine Medaille bei. Lena Hentschel, Christina Wassen, Moritz Wesemann und Timo Barthel freuten sich im Mixed-Team-Wettbewerb vom Drei-Meter-Brett und Turm über Bronze.

Von Thomas Eßer und Gerald Fritsche, dpa