Patrick Franziska schaute nach seinem Matchball zur Hallendecke, als könne er diesen Erfolg selbst kaum glauben.
Auch ohne bekannte Namen wie Timo Boll, Dimitrij Ovtcharov und Petrissa Solja haben beide deutschen Nationalmannschaften in Rumänien jeweils die Mannschafts-Europameisterschaft im Tischtennis gewonnen. Rein statistisch betrachtet war das 3:1 gegen Russland bereits der neunte Final-Erfolg der Männer bei einer Team-EM. Die Frauen holten den Titel durch ihren 3:1-Sieg gegen die Topfavoritinnen aus Rumänien ebenfalls schon zum achten Mal. Doch noch nie in der Geschichte des Deutschen Tischtennis-Bundes gelang ein solcher Erfolg nahezu ohne die komplette Stammbesetzung.
«Das Wunder von Cluj», titelte der DTTB auf seiner Internetseite. Doch so groß die Freude bei den Deutschen war, so ernüchternd ist dieses Signal für die anderen europäischen Nationen. Zum ersten Mal seit 1996 wurde eine Team-EM ausgespielt, bei der wegen der vielen Termine in diesem Jahr weder der Rekord-Europameister Boll noch der Olympia-Dritte Ovtcharov dabei waren. Nutzen konnten diese Gelegenheit aber weder die favorisierten Schweden, noch der Halbfinal-Gegner Dänemark oder die jungen Russen. Im Gegenteil: Patrick Franziska (Saarbrücken) und Nina Mittelham (Berlin) führten ihre Teams zum zweiten großen Erfolg nach ihren persönlichen Erfolgen beim europäischen Top-16-Turnier zwei Wochen zuvor.
Franziska dreht Spiel
Beim Männer-Finale bewies der 29-jährige Franziska in mehreren kritischen Momenten Nervenstärke. Benedikt Duda (Bergneustadt) hatte das erste Spiel mit 2:3 gegen Maksim Grebnew vom Bundesliga-Club TSV Bad Königshofen verloren. Und auch Franziska lag bereits mit 1:2 gegen Lew Katsman (TTC Neu-Ulm) zurück. Die deutsche Nummer eins drehte das Match aber noch. Und machte den EM-Titel dann nach dem 3:1-Sieg von Dang Qiu (Düsseldorf) gegen Wladimir Sidorenko (TTC Neu-Ulm) in einem Fünf-Satz-Krimi gegen Grebnew perfekt. Durch diese EM, sagte Sportdirektor Richard Prause, «stellen wir das Gerüst unserer Nationalmannschaften auf ein noch viel solideres Fundament.»
Bei den Frauen entschied die Weltranglisten-33. Mittelham nach dem Halbfinale gegen Portugal auch das Finale gegen die Gastgeberinnen. Denn sie besiegte mit Bernadette Szocs und Elizabeta Samara gleich beide rumänischen Topspielerinnen mit 3:2. «Es einfach unglaublich, dass wir jetzt mit dieser Mannschaft Europameister sind», sagte Mittelham, die nach den Ausfällen von Petrissa Solja, Han Ying und Shan Xioana vom vierten auf den ersten Platz der Teamhierarchie aufgestiegen war. Sabine Winter (Schwabhausen) schlug Samara sogar deutlich (3:0). Das 2:3 von Chantal Mantz (Langstadt) gegen Daniela Dodean Monteiro fiel nicht ins Gewicht. Einen besseren Einstand hätte es für die neue Bundestrainerin Tamara Boros nicht geben können.