Die deutschen Fußballerinnen sahen vor dem Fernseher, wie Frankreich Chance um Chance liegen ließ – und müssen nun hoffen, dass sich der Halbfinal-Gegner die Tore nicht für Mittwoch aufgehoben hat.
Mit einem hoch verdienten 1:0-Sieg nach Verlängerung gegen Titelverteidiger Niederlande empfahlen sich Kapitänin Wendie Renard und Co. bei der EM für die Partie in Milton Keynes (21.00 MESZ/ZDF und DAZN) gegen den Rekord-Europameister aus Deutschland. «Es ist ein tougher Gegner», sagte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg.
Die Französinnen brauchten am Samstagabend in Rotherham im Viertelfinale die Verlängerung und ein Elfmetertor von Eve Perisset, um nun gegen die DFB-Frauen um den Einzug ins Finale von Wembley am kommenden Sonntag zu spielen. «Wir wissen, dass Frankreich eine enorme Qualität hat in den Umschaltmomenten, fantastische Einzelspielerinnen mit ganz viel Tempo», sagte Voss-Tecklenburg nach dem langen TV-Abend im Teamquartier in Brentford.
Direkt neben der 54-Jährigen saß dabei quasi ihre Einflüsterin: Sara Däbritz könnte dem Trainerteam bei der Vorbereitung mit ihrer Expertise noch viel helfen: Die 27 Jahre alte Mittelfeldspielerin wechselte diesen Sommer nach drei Jahren bei Paris Saint-Germain zum Champions-League-Sieger Olympique Lyon und erwartet ein «enges, spannendes» Spiel.
«Unsere Analysten haben schon fleißig gearbeitet», erzählte Däbritz am Sonntag. «Als wir gestern das Spiel geschaut haben, da tauscht man sich in so einer lockeren Umgebung natürlich ein bisschen aus. Aber ich glaube, unser Trainerteam wird uns bestmöglichst drauf einstellen und wir werden super vorbereitet sein.»
«Haben eine brutale Qualität»
Auch Joti Chatzialexiou, Leiter der Nationalteams beim DFB, war von den Französinnen beeindruckt. «Sie haben eine brutale Qualität, sind vor allem auf den Außenbahnen richtig gut. Dass es so lange gedauert hat, hat mich überrascht», sagte er im ZDF-Interview. Gleichzeitig ist das Vertrauen in die deutschen Spielerinnen nach bisher vier EM-Spielen ohne Gegentor groß. Chatzialexiou sieht ein «Fifty-Fifty-Spiel». Er habe aber «keine Sorge, weil ich die Energie in unserer Mannschaft spüre».
Torhüterin Merle Frohms hatte schon nach dem Viertelfinalerfolg gegen Österreich betont: «Ich denke, wir haben gerade eine Weltklasse-Mannschaft, die zu vielem in der Lage ist.» Das bisherige Zu-Null sei «auch ein Zeichen an andere Mannschaften, dass es schon viel braucht, gegen uns ein Tor zu schießen.»
Den ersten EM-Finalisten spielen am Dienstag England und Schweden aus. Frankreich tritt gegen Deutschland mit vielen Spielerinnen vom Champions-League-Sieger Olympique Lyon wie die 1,87 Meter große Renard, aber auch mit zwei Tagen weniger Vorbereitung an. Was Trainerin Corinne Diacre offenbar kein Kopfzerbrechen bereitet: «Wenn du gewinnst, erholst du dich immer schneller.»
Ihre deutsche Kollegin erwartet ein Spiel auf Augenhöhe. «Wir müssen versuchen, ihnen wenig Räume zu geben. Wir werden am Mittwoch alles, was in uns steckt, geben», versprach Voss-Tecklenburg. «Ich glaube, dass auch Frankreich Respekt hat vor unserer gezeigten Leistung.»
Für das DFB-Team ist es das erste Halbfinale bei einem Turnier seit den Olympiaschen Spielen 2016 in Rio de Janeiro, als es unter Trainerin Silvia Neid Gold gewann. Damit hat es auch das Ziel erreicht, das DFB-Direktor Oliver Bierhoff dieses Jahr für die Frauen-EM und auch für die Männer-Nationalmannschaft bei der WM in Katar ausgegeben hatte.
«Ich glaube, wer die deutsche Mannschaft gesehen hat, der muss ganz ehrlich sagen, dass sie Topfavorit sind», sagte Nadine Keßler, UEFA-Abteilungsleiterin, frühere Weltfußballerin des VfL Wolfsburg und Europameisterin von 2013. Das DFB-Team sei «wirklich die große Nummer hier, und es wird schwer, sie zu schlagen.»