DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig misst dem Trainingsaufenthalt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Thüringen auch eine politische Bedeutung kurz vor der Europawahl bei. Die Entscheidung des Verbandes, ganz bewusst vor der Heim-EM ein Vorbereitungscamp im Osten Deutschlands abzuhalten, finde er «großartig», sagte der 61-Jährige der «Frankfurter Rundschau» (Montag). «Weil wir nicht wollen, dass das Gefühl vieler Menschen in Ostdeutschland, abgehängt worden zu sein, noch verstärkt wird.»
«Es gibt Gründe, weshalb wir einen Rechtsdrall in unserem Land haben. Wir wollen uns nicht überhöhen, aber dass die Fußball-Nationalmannschaft sich im Osten auf dieses große Turnier vorbereitet, ist eine wunderbare Symbolik, die wirken soll: „Ihr seid auch dabei!“ Auch mit Blick auf die Europawahl am 9. Juni. Mir ist diese Botschaft wichtig: „Geht nicht jeder rechten Parole auf den Leim!“», sagte der Geschäftsführer. Er erhoffe sich, «dass ein Wir-Gefühl entsteht in diesen düsteren Zeiten, die wir leider gerade erleben».
Andere Zeiten als vor der WM 2006
Rettig will dabei die stimmungsvolle WM 2006, die ein neues Deutschland-Bild auch im Ausland gezeichnet hatte, nicht mit dem aktuellen Heimturnier vergleichen. Das empfinde er «als untauglich, weil die Rahmenbedingungen völlig andere sind».
Es gäbe 18 Jahre später «Kriege und Konflikte, die mühselig überstandene Pandemie, Inflation, wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die aufs Gemüt drücken und aufs Portemonnaie. Man spürt aber gerade, dass sich was tut, auch aufgrund des positiven Spins, den wir durch die Spiele gegen Frankreich und die Niederlande hereinbekommen haben».
Der EM-Kader von Bundestrainer Julian Nagelsmann bereitet sich von Sonntag bis Freitag in Blankenhain in Thüringen auf die am 14. Juni beginnende Heim-EM vor. An diesem Montag absolviert die Nationalmannschaft ein öffentliches Training in Jena.