DFB-Vize Hannelore Ratzeburg: «Bin schon hart im Nehmen»

Der erste DFB-Präsident, mit dem Hannelore Ratzeburg als Frauenfußball-Referentin zu tun hatte, war Hermann Neuberger.

Sie überzeugte ihn davon, die Europameisterschaften 1989 auszutragen – ein Meilenstein und der erste EM-Triumph für Deutschlands Kickerinnen. Neun Verbandschefs später – die Interimsbosse mitgezählt – sitzt die Hamburgerin noch immer im Präsidium des Deutschen Fußball-Bundes. Sie selbst hält sich für ein «Urgestein» des DFB. «Ratzeburg war eigentlich immer da!», sagt Ratzeburg, die am Freitag 70 Jahre alt wird, nicht ohne Selbstironie in einem dpa-Interview.

Altersgrenze erreicht

Damit erreicht die Vizepräsidentin für Gleichstellung, Frauen- und Mädchenfußball beim Sieben-Millionen-Mitglieder-Verband die Altersgrenze und wird beim Bundestag 2022 ausscheiden. Alle Stürme beim krisengeplagten DFB sind an Ratzeburg offenbar schadlos vorbeigezogen – was auch immer das über die Stärke ihrer Stellung aussagt.

Aus der aktuellen Führungskrise mit dem Rücktritt von DFB-Boss Fritz Keller hält sie sich in der Öffentlichkeit raus. Ob sie sich mitverantwortlich fühlt? «Das ist schwierig», antwortet sie. Und: «Ich erlebe es nicht so, dass der Gesamtverband in der Krise steckt. Bis zum vorgezogenen Bundestag gilt es aber aufzuklären, was aufzuklären ist.»

Als Delegationsleiterin unterwegs

In den vergangenen Tagen war Ratzeburg mal wieder als Delegationsleiterin der Nationalmannschaft unterwegs. Dass die Spielerinnen ihre Enkelinnen sein könnten – das weiß sie selbst am besten. Als der DFB 1970 das Frauenfußball-Verbot aufhob, war die Studentin Spielerin und dann Jung-Funktionärin in Hamburg-Eimsbüttel. «Sie dachten, das wird schon in zwei Jahren wieder vorbei sein. Das ist eine Modeerscheinung», erklärte sie mal. Inzwischen könnte Ratzeburg einen Wälzer schreiben über die Entwicklung und die Schwierigkeiten des Frauenfußballs.

«Ich bin schon hart im Nehmen», sagt sie heute. «Natürlich war ich öfter enttäuscht. Aber ich bin mehr denn je davon überzeugt, dass der Frauenfußball eine Riesenzukunft hat.» 1974 wurde Ratzeburg Vorsitzende des Ausschusses Frauen- und Mädchen-Fußball im Hamburger Landesverband, 1995 als erste Frau in den DFB-Vorstand und 2007 ins Präsidium gewählt. Bis heute ist sie die einzige. Seit vielen Jahren sitzt sie auch in den Kommissionen bei UEFA und FIFA.

«Hannelore Ratzeburg war einer der ersten engagierten Frauen im Fußball, die auch Mut hatte», sagt der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger der dpa. Für die Entwicklung der Nationalmannschaft habe sie «herausragende Leistungen» gebracht.

Mehr Geschlechtergerechtigkeit gefordert

Und doch liegt vieles im Argen im Hoheitsgebiet der langjährigen Spitzenfunktionärin, was ihr Alleinstellungsmerkmal an der DFB-Spitze auch zeigt. So darbt die Bundesliga trotz aller Erfolge des Nationalteams weiter vor sich hin. Zuletzt forderten neun Frauen wie Katja Kraus und Bibiana Steinhaus-Webb mit der Initiative «Fußball kann mehr» Geschlechtergerechtigkeit und eine Frauenquote von 30 Prozent in Führungspositionen bei Fußballverbänden.

«Es wäre natürlich toll, wenn wir mehr Frauen hätten. Generell sollten wir offen sein», sagt Ratzeburg und verweist auf das Leadership-Programm für Frauen und das Strategie-Papier 2027 beim DFB. «Aber dass jetzt zwingend eine Frau an der Spitze stehen soll, wirkt auf mich etwas seltsam. Ich würde mich freuen, wenn es eine Frau würde – aber nicht mit dem Argument, die Männer haben es an die Wand gefahren, jetzt soll es eine Frau richten.»

Von Ulrike John, dpa