DFB-Zapfenstreich für Löw: Fan-Applaus als schönste Melodie

Gerhard Schröder bekam bei seinem Abschied als Bundeskanzler bei den Klängen von «I did it my way» einst glasige Augen. Kaum ein Lied würde auch zu Joachim Löw besser passen als der Klassiker von Frank Sinatra.

Der Weltmeister-Trainer von 2014 machte es immer auf seine Weise. Wenn der 61-Jährige am Donnerstag (20.45 Uhr/RTL) vor dem WM-Qualifikationsspiel der Nationalmannschaft gegen Liechtenstein vom Deutschen Fußball-Bund offiziell verabschiedet wird, ist laut Verbandsdirektor Oliver Bierhoff kein spezieller Song geplant. Die schönste Melodie für Löw, so ist sich sein langjähriger Wegbegleiter sicher, sei der Applaus der 26.000 Fans in Wolfsburg.

Löws Fußball-Zapfenstreich soll eine stimmungsvolle Ode an den Rio-Champion werden. WM-Scheitern 2018, 0:6-Demütigung gegen Spanien und auch der zu abrupte Schlusspunkt beim 0:2 im EM-Achtelfinale gegen England in Wembley Ende Juni werden im Lichte der Löwschen Lebensleistung zumindest für den feierlichen Anlass verdrängt. Hansi Flick, sein WM-Assistent und noch ungeschlagener Nachfolger, hat das Zeugnis schon ausgestellt: «Für mich ist er der beste Bundestrainer, den wir je hatten. Er hat den deutschen Fußball einfach anders aufgestellt», sagte Flick der Deutschen Presse-Agentur.

«Erneuerer und Visionär»

Löw zog sich nach dem EM-Scheitern zurück, begleitete den Aufschwung unter Flick anerkennend aus der Distanz. Am vergangenen Mittwoch folgte beim Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier der erste große öffentliche Termin. Die Laudatio des Staatsoberhaupts im Schloss Bellevue war fast eine präsidiale Liebeserklärung. «Sie haben den Menschen in diesem Land viele Momente geschenkt, die im Gedächtnis unserer Nation bleiben werden», sagte Steinmeier. Man ehre «einen Erneuerer und Visionär, der den deutschen Fußball zurück an die Weltspitze geführt hat.» Löw stand im schwarzen Rollkragenpulli – neben tailliertem Hemd und Schalknoten eines seiner typischen Modeaccessoires – neben Steinmeier und lächelte höflich.

Steinmeier sprach auch viel von den charakterlichen Qualitäten Löws abseits des Fußballs. Auch für Thomas Müller, von 2019 bis 2021 vom damaligen Bundestrainer aus dem DFB-Zirkel aussortiert, sind dies trotz der Demütigung die wichtigen Erinnerungen. «Es gab Höhen und Tiefen, es sind einfach die menschlichen Erlebnisse, die bleiben», sagte der Bayern-Profi, der wie Toni Kroos mit 106 Länderspielen so oft unter Löw spielte wie kein anderer. «Ich bin gespannt, wie es berufsmäßig weiter geht für ihn», sagte Müller.

Weltmeister stehen Spalier

Weltmeisterspieler wie Per Mertesacker, Sami Khedira und Lukas Podolski werden am Donnerstag für Löw Spalier stehen. Die verbalen Lobpreisungen kommen derweil neben Steinmeier und Flick auch von allen vier weiteren noch lebenden Ex-Bundestrainern und Teamchefs, die im wichtigsten Traineramt laut Flick nicht an Löw heranreichten.

«Er hat die Mannschaft wieder in frühere Höhen geführt und geht sicher als einer der erfolgreichsten Trainer in die Geschichte des DFB ein», sagte «Kaiser» Franz Beckenbauer, der 1990 vor Löw für den dritten WM-Titel gesorgt hatte, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. «Überall redet man voller Hochachtung über die Entwicklung des deutschen Fußballs – und das ist vor allem sein Verdienst», sagte Jürgen Klinsmann, der Löw 2004 aus der Trainerversenkung holte und zu seinem Assistenten machte.

2006 beerbte ihn Löw auf Klinsmanns Drängen. 15 Jahre später stehen viele Bestmarken. 198 Länderspiele, 124 Siege und über allem strahlend die magische Nacht im Maracana mit dem WM-Sieg im Finale gegen Argentinien (1:0 n.V.). Bierhoffs eindrücklichste Erinnerung ist aber vier Jahre älter, als Löw nach DFB-Querelen ohne Anschlussvertrag unbeeindruckt in die WM 2010 ging. Da habe er den speziellen Jogi-Spirit gespürt, berichtete er.

Bierhoffs Job ist es, immer das Hier und Heute möglichst gut zu verkaufen. Im Gegensatz zu allen Lobeshymnen sind da auch relativierende Äußerungen aus einer zum Ende abgekühlten Langzeitbindung zu hören. Löw sei, anders als Flick, «jemand, der auch klare Vorstellungen hat, der vieles aber dann auch mit sich trägt und eher einen kleineren engeren Führungskreis um sich hatte». Löw, der eine enge Bindung zu Schröders Nachfolgerin Angela Merkel pflegte, machte es, um es mit Sinatra zu sagen, eben auf seine Weise.

Von Arne Richter und Jan Mies, dpa