Die Formel 1 verneigt sich vor Dietrich Mateschitz

Sebastian Vettel eilte zwischen den Stellwänden im Fahrerlager von Austin zu Helmut Marko, dem langjährigen Wegbegleiter und Vertrauensmenschen von Dietrich Mateschitz. Ein paar Worte, in beiden Gesichtern die Trauer über die Nachricht zu dem Menschen, der nicht nur ihren Werdegang in der Formel 1 maßgeblich mitgeprägt hat.

2005 stieg Mateschitz mit dem eigenen Team ein, natürlich hieß es Red Bull. 2006 kam der italienische Ableger Toro Rosso dazu. Vettel feierte im Toro Rosso seinen ersten Sieg, im Red Bull seinen ersten WM-Triumph. 

Und auch der Weg von Max Verstappen führte via Toro Rosso zu Red Bull – und auf den WM-Thron. «Ohne ihn würde ich jetzt hier nicht sitzen», sagte der Niederländer ergriffen, dankbar und traurig. Die Erfolge von Red Bull seien allein Mateschitz‘ Verdienst, betonte Marko beim Sender Sky und kündigte an: «Jetzt schauen wir, dass wir zu seinen Ehren an diesem Wochenende noch den Konstrukteurstitel holen.»

Mateschitz der «stille Patriarch»

Die Formel 1 pries Mateschitz als «stillen Patriarchen». Die Öffentlichkeit war nie sein Ding, auch wenn er genau damit sein Imperium aufbaute und die Dimensionen des Sportsponsoring verschob. Eine riesige Liste an Einzelsportlerinnen und -Sportlern, gern auch aus eher unkonventionellen Disziplinen, dazu Fußball-Clubs wie RB Leipzig oder Eishockey-Teams wie der EHC Red Bull München. 

Dazu ein hauseigener TV-Sender, in der Formel 1 sogar mal für kurze Zeit eine eigene Grand-Prix-Zeitung. Mateschitz sei jemand ganz besonderes gewesen, «der das geschafft hat, wovon andere nicht gedacht hätten, dass es möglich ist», sagte Vettel. Für dessen ersten WM-Titel von insgesamt vier ließ Mateschitz sogar die Straße des 17. Juni in Berlin sperren, damit Vettel von seinen deutschen Fans bejubelt werden konnte. 

Über den Tod des 78-jährigen Mateschitz hatte Red Bull die Mitarbeiter kurz vor Mitternacht deutscher Zeit in einer Mail informiert. «In diesen Momenten überdeckt Trauer alle anderen Gefühle. Aber schon bald wird die Trauer Platz machen für Dankbarkeit, dafür, was er verändert, bewegt, bewirkt und so vielen Menschen ermöglicht hat. Wir werden ihm respektvoll und liebevoll verbunden bleiben», hieß es darin: «Unser aller Aufgabe und Verantwortung ist es, sein Lebenswerk in seinem Sinn fortzuführen.»

Formel-1-Geschäftsführer Stefano Domenicali würdigte Mateschitz als «unglaublich visionären Unternehmer». Und auch die ärgste Konkurrenz, sonst gern vereint in Vorwürfen und Anschuldigungen, verneigte sich nun unisono vor dem Lebenswerk des Steirers. 

Mateschitz sei für ihn der beeindruckendste Unternehmer, «den wir in Österreich je hatten, wenn nicht weltweit», sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Der gebürtige Wiener ergänzte: «Er hat eine Marke kreiert und einen Bereich, den es vorher nicht gab. Was er für den Sport gemacht hat und wie viel er dem Sport gegeben hat, hat es davor nicht gegeben.» Ferraris Vorstandschef John Elkann pries die Leidenschaft und den Mut, den Mateschitz als Unternehmer hatte. Er sei ein Mann gewesen, der immer neue Herausforderungen geliebt habe. 

«Deine Integrität, Leidenschaft, Vision, dein Antrieb, deine Unterstützung und dein Humor werden niemals vergessen», schrieb Christian Horner bei Instagram. Ihn hatte Mateschitz seinerzeit auserkoren, um den Red-Bull-Rennstall zu führen. Bis heute ist Horner, mittlerweile 48 Jahre alt, der Teamchef.  «So viele Leute schulden dir so viel, keiner mehr als ich.» 

Kritik an oftmals hochriskanten Sportarten

Mateschitz‘ Imperium war allerdings auch nicht ohne Schattenseiten. Kritik an den oftmals hochriskanten Sportarten, in und mit denen Red Bull für sich wirbt, gab es immer wieder, bei Werbedrehs kam es auch schon zu tödlichen Unfällen und Stürzen. Oder der hauseigene Sender, der Verschwörungstheoretikern und Querdenkern auch schon eine Plattform gegeben haben soll. Oder die Ablehnung von Red Bull im Fußball unter vielen Fans. Nur ein PR-Konstrukt, heißt es dann. Dass es sich bei seinem Einstieg aber eigentlich nicht um kurzfristige Gewinn-Optimierung handelte, verdeutlicht sein Engagement in und für die Formel 1 wohl am besten.  

Jens Marx, dpa