Abseits der gepflasterten Straße führen mehrere Trampelpfade vom Hintereingang des Deutschen Fußball-Bundes zur Kantine des Deutschen Olympischen Sportbundes.
Vor Corona herrschte zwischen den Mitarbeitern in der im Stadtwald versteckten Frankfurter Otto-Fleck-Schneise ein reger Austausch. Beim DOSB scheint das Essen besser. Insgesamt arbeiten in beiden Häusern mehrere Hundert Menschen – die unverschuldet die tiefe Führungs- und Glaubwürdigkeitskrise ihrer jeweiligen Chefetagen in unterschiedlicher Ausprägung aushalten müssen.
Beim DFB, so sehr die Feststellung auch an Sarkasmus grenzt, sind sie das inzwischen gewohnt. Der medienwirksame Rücktritt der drei Mitglieder der formal unabhängigen Ethikkommission am Mittwoch war kein neuer Skandal, sondern ein weiteres Teilstück in dem seit Monaten andauernden Machtspiel im Präsidium.
«Spätestens jetzt sollten die Letzten merken, dass es beim DFB nicht mehr so weitergehen kann wie bisher», sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius der «FAZ» (Freitag). Wenn sich Politiker während einer EM nicht zum Fußball, sondern zum Verband äußern, ist das selten ein gutes Zeichen.
«Kapelle auf der Titanic»
Laut Pistorius könne längst nicht mehr nur von einem «Alarmsignal» gesprochen werden. «Das ist die Kapelle auf der Titanic», sagte der SPD-Politiker. Durch den Rücktritt der drei Ethiker besteht die Kommission, die überwachen, aber vor allem beraten soll, allein aus der neuen Vorsitzenden Irina Kummert – und ist damit vorerst handlungsunfähig. Der DFB hatte die Vorwürfe der Einflussnahme auf laufende Ermittlungen – dem Vernehmen nach auch gegen Interimspräsident Rainer Koch – zurückgewiesen.
Verworrenes Wer-gegen-wen-Spiel
Die Details des Wer-gegen-wen-Spiels beim DFB sind verworren. Verbrieft ist, dass der Jurist Bernd Knobloch gerne Übergangschef der Ethikkommission geblieben wäre. Ohne nach außen erkennbare Not stimmte das DFB-Präsidium aber in geheimer Wahl über die Besetzung des Postens ab – und Kummert, die Präsidentin des Ethikverbandes der Deutschen Wirtschaft, gewann. «Das war ein völlig korrekter Vorgang», sagte Koch der Deutschen Presse-Agentur. Was mit den laufenden Ermittlungen geschieht, blieb zunächst offen.
Kummert und ihr Büroleiter wurden laut DFB gebeten, «so schnell wie möglich unabhängige Vorschläge für eine Neubesetzung» zu machen. Eine Idee liegt auf der Hand. «Ich bin nicht abgeneigt, mich der Verantwortung zu stellen», sagte der frühere Vorsitzende der FIFA-Ethikkommission, Hans-Joachim Eckert, der dpa. Der 73-Jährige sperrte in seiner Amtszeit beim Weltverband die damaligen Granden Joseph Blatter und Michel Platini, was ihm und Chefermittler Cornel Borbély großen Respekt eingebracht hatte. 2017 wurden beide von der neuen FIFA-Führung um Gianni Infantino geschasst.
Die Vorgänge damals beim Weltverband und jetzt beim DFB sind in Grundzügen vergleichbar. Es bleibt die desaströse Außendarstellung des größten Sportfachverbandes der Welt, in der dieselben Personen immer wieder auftauchen. Seit dem Rücktritt von Fritz Keller, der Koch mit dem Namen eines Nazi-Richters angesprochen hatte, wird der DFB übergangsweise von Koch und dem von der Deutschen Fußball Liga entsandten Peter Peters geführt.
Schnellstmöglicher DFB-Bundestag gefordert
«Umso wichtiger ist ein schnellstmöglicher DFB-Bundestag, der aufzeigt, ob sich eine Mehrheit von dieser Führung repräsentiert fühlt oder ob es mehr Menschen gibt, die eine Erneuerung wollen», sagte Katja Kraus stellvertretend für die von Frauen geführte Reforminitiative «Fußball kann mehr», der die Wucht der gesamtgesellschaftlichen Debatte über Geschlechtergerechtigkeit mit zum Erfolg verhelfen könnte. Noch ist der nächste DFB-Bundestag erst für Anfang 2022 angesetzt.
Der DOSB ist früher dran – die Führungsriege in der Otto-Fleck-Schneise 12 soll bereits im kommenden Dezember während einer außerordentlichen Mitgliederversammlung neu gewählt werden. DOSB-Präsident Alfons Hörmann wird nach den schweren Vorwürfen aus dem Mitarbeiterkreis nicht zur Wiederwahl antreten, auch sein Vizepräsident Kaweh Niroomand wird nicht mehr kandidieren. Hörmann war in einem anonym veröffentlichten offenen Brief ein ungebührlicher Führungsstil («Klima der Angst») vorgeworfen worden.
Prokop fordert Doppelspitzen
Für beide Verbände schlug der frühere deutsche Leichtathletik-Chef Clemens Prokop Doppelspitzen vor – mit je einem Mann und einer Frau. Damit seien in der Politik «überwiegend gute Erfahrungen gemacht» worden, sagte Prokop der «Mittelbayerischen Zeitung».
«Eine Doppelspitze würde zunächst die zeitlichen Anforderungen an das Amt deutlich reduzieren und damit für einen größeren Personenkreis leistbar sein», führte Prokop aus. «Zudem hätte diese Lösung die besondere Qualität, dass Frauen in diesen Führungspositionen für alle sichtbar Verantwortung tragen. Das hätte mehr als symbolischen Wert, sondern wäre Ausdruck und Zeichen für die Bedeutung der Frauen im Sport. Der organisierte Sport würde damit signalisieren, dass es ihm mit der Gleichberechtigung wirklich ernst ist.»