Die Millionen-Versuchung: Titel oder lieber viel, viel Geld?

Es geht um mehrere Millionen Euro. Entsprechend groß ist die Versuchung. Vor allem nach dem Gewinn der Europameisterschaft erhielt André Thieme für die Stute Chakaria «unzählige, ganz verrückte» Angebote.

Doch der 47-Jährige aus Plau am See blieb standhaft. Er verkaufte die begehrte Stute nicht – und ist nun bei der WM in Dänemark einer der Top-Favoriten.

Bei Erfolg: Titel oder Geld?

Dass es nicht selbstverständlich ist, den lukrativen Angeboten zu widerstehen, dafür ist Thieme selber das beste Beispiel. 2015 stand der Reiter schon einmal vor solch einer schweren Entscheidung, und nach einigem Überlegen verkaufte er sein damaliges Spitzenpferd Contanga, das in den Stall der Milliarden-Erbin Athina Onassis wechselte. «Ich habe sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge abgegeben», sagte der Reiter damals. «Ich habe auch eine Verantwortung gegenüber meinem Stall und meinen Angestellten.»

Jetzt in Herning sagt Thieme: «Damals war es so, dass wir es uns nicht leisten konnten, das Pferd zu behalten. So einfach war das.» Reiter sind Unternehmer in einer Branche mit hohen Kosten, und mit dem Verkauf eines einzigen Pferdes kann man im Idealfall für einige Jahre den Betrieb sichern.

Der damalige Verkauf von Contanga war insofern auch Grundlage dafür, dass Thieme sein derzeitiges Weltklassepferd Chakaria nicht verkaufen muss. «Das ist definitiv ein wichtiger Bestandteil», erklärt der Mecklenburger. Der Deal 2015 «hat dann schon für einige Ruhe gesorgt».

Chakaria, ein Pferd «für Championate»

«Jetzt stehe ich auf anderen finanziellen Füßen, sodass wir die Ohren zu machen können», sagt er. Wie hoch die bisher verlockendste Offerte war, will er nicht verraten. Bekannt ist aber, dass absolute Spitzenpferde mehrere Millionen Euro kosten, manchmal auch zweistellige Millionen-Beträge.

«Wir sind uns mit dem Mitbesitzer einig, dass wir diesen Traum leben wollen und das Geld nicht alles ist», betont Thieme. «Wir haben immer davon geträumt, für Deutschland Championate zu reiten, und jetzt haben wir dieses Pferd dafür.»

Der Bundestrainer ist mit Thiemes Standhaftigkeit besonders glücklich. «Das kann man ihm nicht hoch genug anrechnen, dass er das Pferd behält», sagt Otto Becker. «Das sind schwere Entscheidungen, vor denen man als Reiter häufiger steht.»

Entscheidungen mit hohem Risiko

Und es sind Entscheidungen mit hohem Risiko. Das erlebt gerade Simone Blum, die amtierende Weltmeisterin, die vier Jahre nach ihrem WM-Triumph in den USA nur Zuschauerin in Herning ist. Sie widerstand den Millionen-Angeboten für ihr Gold-Pferd Alice. Doch die Stute verletzte sich, musste operiert werden und pausiert seit mehr als einem Jahr.

Oft haben Reiter selber gar keine Entscheidungsfreiheit, weil die Pferde ihnen gar nicht selber gehören. David Will verlor so im April unerwartet den Wallach C Vier, mit dem er vor einem Jahr gemeinsam mit Thieme bei der EM Team-Silber gewonnen hatte und mit dem er als heißer Kandidat für die WM galt.

«Der Verkauf war überraschend», sagt Becker. Für Will war das «ärgerlich», aber das ist die Entscheidung der Besitzer». Allerdings stand auch die Familie Rijkens vor einer schwierigen Entscheidung und einer Risikoabwägung. Sie verkaufte C Vier schließlich nach Irland. Und jetzt bei der WM in Dänemark wird das Pferd von Cian O’Connor geritten.

Von Michael Rossmann, dpa