Die Waxmafia hilft: Norwegens Biathleten nicht zu stoppen

Wahrscheinlich würde Johannes Thingnes Bö selbst auf diesen Ski noch gewinnen. Als die norwegischen Skitechniker zuletzt ein Video veröffentlichten, wie sie die Langlauflatten anstatt mit Wachs einfach mit Sekt präparierten und so vermeintlich ihr Geheimrezept verrieten, sorgte das bei Instagram für viele Lacher.

Die Stimmung im Team könnte besser kaum sein. Die Norweger dominieren einen Monat vor der Biathlon-WM in Oberhof derart, dass man sich fragen muss, ob sie den anderen Nationen überhaupt ein paar Medaillen übrig lassen. Beim anstehenden Weltcup von Mittwoch an in Ruhpolding wollen sie ihren Siegeszug fortsetzen – und das frustriert die Konkurrenz zusehends.

«In meiner Welt klammere ich ihn wirklich aus. Es ist noch mal eine andere Liga», sagte Roman Rees zuletzt über Dominator Bö. Während die Deutschen hart um jedes Top-Ten-Ergebnis kämpfen müssen, gewann der 29-jährige Bö sieben von zehn Saisonrennen fast spielerisch. Der nächste Gesamtweltcupsieg ist für den fünfmaligen Olympiasieger nur eine Frage der Zeit, einziger ernsthafter Konkurrent ist Teamkollege Sturla Holm Laegreid, der schon über 100 Punkte Rückstand hat. Unter den Top-Sieben der Gesamtwertung tummeln sich derzeit gleich fünf Norweger, in Pokljuka gab es sogar einen Sprint-Dreifacherfolg.

Bö und Co. scheinen außer Reichweite

«Wichtig für uns als deutsches Team ist, zumindest in den Anschlussbereichen mit Schweden und Frankreich einfach konkurrenzfähig zu sein und die im Zweifel auch mal im Griff zu haben», sagte Rees. Bö und Co. scheinen außer Reichweite. Teamkollege Benedikt Doll ergänzte: «Die sind einfach richtig schnell.» Und das liegt in der Tat auch an ihren Skiern. Die Waxmafia, so nennen sich die Skitechniker bei Instagram scherzhaft, bekommt es immer hin, das beste Material zuliefern. «Wir haben auch das stärkste Wachsteam. Dieser ganze Erfolg ist eine Teamleistung», sagte Olympiasieger Tarjei Bö der Deutschen Presse-Agentur.

Was das Geheimnis ihres Erfolgs ist? «Die Kultur in Norwegen ist gerade sehr gut für Biathlon», sagt der 34-Jährige, der kurz vor dem Saison-Höhepunkt in Topform ist: «Es ist ein absolutes Luxus-Problem. Wir haben zehn Leute, die heute im Weltcup mitmachen können und es in die Top Ten schaffen würden, einige könnten immer gewinnen.» Zum Glück für den Rest dürfen im Weltcup maximal sechs Starter einer Nation antreten, bei der WM sind es sogar nur vier oder maximal fünf. «Im Skilanglauf haben wir dieses «Problem» in Norwegen schon länger – und jetzt ist es im Biathlon genauso», sagte Bö zum Überangebot an Talenten.

Der ältere Bruder von Johannes Thingnes Bö weiß um die eigene Stärke, Kampfansagen gibt es aber nicht. «In Oberhof kann schon alles anders sein, deswegen bleiben wir demütig und fokussiert», sagte er. Im Einzel am Mittwoch (14.10 Uhr/ARD und Eurosport) dürften der elfmalige Weltmeister und seine Teamkollegen die Podestplätze in der Chiemgau Arena einmal mehr weitestgehend unter sich ausmachen.

Frauen-Feld ausgeglichener

In Deutschland träumt man von einer derartigen Dominanz. «In Norwegen beginnt man mit vier Jahren mit dem Skilaufen, das ist ein Teil des Lebensstils», erklärte Sverre Olsbu Röiseland. Der 32-jährige Norweger ist seit dieser Saison Co-Trainer des deutschen Frauenteams, er kennt das System in seiner Heimat bestens, hält es aber nicht für perfekt. Mit dem richtigen Programm und guten Trainern könnte man auch aus einer kleineren Auswahl Weltklasse-Athleten formen. «Es gibt keinen Grund, warum wir in Deutschland nicht wieder die beste Nation sein können», sagte der Ehemann von Marte Olsbu Röiseland.

Weil die 32-jährige Röiseland nach ihrer Corona-Infektion genauso noch nicht wieder voll da ist wie Tiril Eckhoff, die wegen Long Covid noch immer keine Wettkämpfe bestreitet, ist das Feld bei den Frauen ausgeglichener.

Bö glaubt derweil nicht, dass die WM für die Norweger zum Spaziergang wird und sie sich die Medaillen einfach nur noch abholen müssen. «Die Deutschen und die Franzosen sind auf einem sehr hohen Niveau», sagte der Routinier: «Wenn du dann in die WM gehst, sind sie ganz plötzlich da, wie aus dem Nichts.»

Thomas Wolfer, dpa