«Diese Momente liebe ich»: Zverev mit Kampf ins Achtelfinale

Müde, aber glücklich fieberte Alexander Zverev mehr als eine halbe Stunde nach Mitternacht schon wieder seinem nächsten großen Auftritt bei den US Open entgegen.

Nach dem hart erkämpften Drittrundensieg über den Bulgaren Grigor Dimitrow schwärmte der Tennis-Olympiasieger über die elektrisierende Flutlicht-Atmosphäre von New York und freute sich auf das Achtelfinal-Duell mit dem Weltranglistensechsten Jannik Sinner. «Ich glaube, dass das von der Stimmung wieder ein Highlight werden wird», sagte der 26-Jährige über die anstehende schwere Bewährungsprobe. «Er ist einer der besten Spieler auf der Welt gerade.»

Mit Kampfgeist ins Achtelfinale

Erleichtert genoss Zverev zuvor seinen vierten Achtelfinaleinzug in Serie beim Grand-Slam-Turnier in Flushing Meadows. Er drosch den Ball hoch in den Nachthimmel und brüllte mit weit aufgerissenem Mund in Richtung seines Anhangs mit Freundin Sophia Thomalla auf der Tribüne. Dank großem Kampfgeist und überlegener Fitness bezwang der 26-Jährige in 3:42 Stunden Dimitrow mit 6:7 (2:7), 7:6 (10:8), 6:1, 6:1. Nach dem verlorenen ersten Satz lag Zverev im zweiten Durchgang bereits mit 2:4 zurück, schaffte aber das Comeback.

«Die ersten beiden Sätze waren die besten Sätze, die ich dieses Jahr gespielt habe. Es war lächerlich hohes Niveau von uns beiden», sagte Zverev. «Es war ein brillantes Match. Wir haben uns körperlich gekillt in den ersten beiden Sätzen.» Alleine die ersten zwei Durchgänge dauerten knapp zweieinhalb Stunden. Erst anschließend konnte der frühere Weltranglistenzweite seine Überlegenheit ausspielen – auch weil der sechs Jahre ältere Dimitrow sichtbar angeschlagen war, sich nur noch schleppend bewegte und am Knie behandelt werden musste.

Becker-Lob an Zverev und Gegner

«Großes Kompliment von mir. Es war spielerisch sehr gut. Dass er hinten lag, lag auch an Dimitrow, der Weltklasse gespielt hat», lobte Tennis-Legende Boris Becker als Experte für Sportdeutschland.TV. «Aber Sascha ist konstant geblieben und hat letztlich das Match körperlich gewonnen. Er hat immer an seine Chance geglaubt.»

Die vergangenen fünf Duelle hatte Zverev für sich entschieden, dieses Jahr bei den French Open und bei der US-Open-Generalprobe in Cincinnati hatte er Dimitrow sogar dominiert. Doch besonders zu Ende des ersten Satzes gelang dem Weltranglisten-19. fast alles. Zverev ging häufig ans Netz, schaute aber immer wieder perfekten Passierbällen hinterher. 

Der Hamburger wirkte ratlos, tat sich mit der flachen, unterschnittenen Rückhand von Dimitrow schwer. Im Tie-Break gingen die ersten fünf Punkte an den Bulgaren, der sich wenig später nach 70 Minuten den Auftaktsatz sicherte. 

Zverev kassierte Mitte des zweiten Satzes ein Break, rutschte einmal weg und lag am Boden. Schnell rappelte er sich wieder hoch – was auch als Sinnbild für das Match taugte. Nach einem gelungenen Ball forderte er das Publikum zum Jubeln auf, mit der Unterstützung der Fans im zweitgrößten Stadion bei den US Open kam Zverev zurück ins Spiel. «Diese Momente liebe ich, das habe ich letztes Jahr vermisst», sagte der Hamburger, der wegen einer schweren Knöchelverletzung 2022 in New York fehlte. «Es gibt keine Atmosphäre wie New York nachts.»

Zwei Satzbälle abgewehrt

Im zweiten Tie-Break wehrte Zverev zwei Satzbälle seines Gegners durch starke Aufschläge ab, mit einem platzierten Return holte er sich den Durchgang. Dimitrow waren die Strapazen anzusehen, er atmete schwer zwischen den Ballwechseln. Zverev hielt den Druck hoch, schaffte zwei frühe Breaks. Dimitrows Gegenwehr war gebrochen, nach nur 28 Minuten entschied Zverev den dritten Durchgang für sich – und blieb auch im vierten Satz mit klaren körperlichen Vorteilen souverän.

Auf seine Physis sei er stolz, sagte Zverev. «Ich habe in der Vergangenheit immer gezeigt, dass ich auch in Fünf-Satz-Matches da sein kann. Ich hoffe, dass das übermorgen der Fall sein wird.» Gegen Sinner dürfte es am Montag (Ortszeit) auch auf die Kraft ankommen. Zverev stand in drei Partien bereits mehr als neuneinhalb Stunden auf dem Platz, der Südtiroler mehr als zwei Stunden weniger. 

«Ich erwarte, dass es unfassbar schwierig wird. Ich erwarte, dass es vom Niveau her unfassbar hoch wird», sagte Zverev. «Physisch ist er wieder sehr stark», lobte Sinner seinen nächsten Gegner. Es sei «schön, gegen ihn zu spielen.»

Der Weg zum erhofften zweiten US-Open-Endspiel nach 2020 für Zverev ist dabei weiter schwer: Bei einem Erfolg könnte es für Zverev im Viertelfinale zum Duell mit dem spanischen Titelverteidiger Carlos Alcaraz kommen.

Von Florian Lütticke, dpa