Dreßen ist zu Hause: «Galionsfigur» bei Comeback in WM-Form

Thomas Dreßens lange Leidenszeit endete mit einem Urschrei in den Rocky Mountains. 995 Tage nach seinem letzten Weltcup-Start legte Deutschlands bester Abfahrer als Achter in Lake Louise ein bemerkenswertes Comeback hin und knackte auf Anhieb die nationale WM-Norm.

Voller Erleichterung riss der frühere Kitzbühel-Sieger seine Arme in die Luft und brüllte ein unüberhörbares «Jaaaa!» durch den Zielraum. Dreßen ist zurück – und wie. «Es hat sich angefühlt, wie nach Hause kommen», beschrieb der 29 Jahre alte Skirennfahrer seine Glücksgefühle nach der Schussfahrt am Samstag.

«Die Nervosität gespürt»

Mit der Startnummer vier stürzte sich der verletzungsgeplagte Oberbayer aus dem Häuschen der «Olympic-Downhill»-Strecke. «Beim Start habe ich die Nervosität gespürt», berichtete der Mittenwalder später. Kein Wunder: Für den Deutschen war es das erste Weltcup-Rennen seit März 2020. Zuerst hatte Dreßen eine Hüft-Operation ausgebremst. Dann sorgte ein Eingriff am vorgeschädigten rechten Knie dafür, dass er die gesamte vergangene Saison inklusive der Olympischen Spiele verpasste.

Wer bei Dreßen jetzt einen Mangel an Selbstvertrauen und Routine erwartet hatte, wurde enttäuscht. Vielleicht fehlte dem Deutschen in den steilen Abschnitten hier und da der Mut, noch gnadenloser zu attackieren. Doch Hauruckaktionen seien ohnehin nicht geplant gewesen. Dafür zeigte der Speed-Spezialist in den Gleitpassagen prompt seine ganze Klasse, die ihn bisher zu fünf Weltcup-Siegen führte. «Ich bin voll zufrieden. Richtig cool, dass ich wieder da bin», schwärmte Dreßen über den «tollen Tag mit vielen Emotionen».

Zurück in der Weltspitze

Nach nur einem Rennen scheint Deutschlands Ski-Aushängeschild zurück in der erweiterten Weltspitze – und der Deutsche Skiverband (DSV) hat sein Zugpferd wieder. «Der strahlt aus. Wenn du vorne eine Galionsfigur hast, wächst das Selbstvertrauen des ganzen Teams», äußerte Alpin-Direktor Wolfgang Maier zuletzt. Allein Dreßens Präsenz soll für einen Aufschwung im gesamten Speed-Team sorgen. Beim Auftaktsieg des norwegischen Kraftpakets Aleksander Aamodt Kilde am Samstag klappte das schon mal ganz gut. 

Romed Baumann und Andreas Sander fuhren jeweils einmal unter die besten Zehn. Simon Jocher und Dominik Schwaiger rundeten mit einer Fahrt unter die Top-15 das starke Gesamtergebnis aus deutscher Sicht ab. Der erhoffte Dreßen-Effekt scheint einzutreten. Nur Josef Ferstl und Nachwuchshoffnung Luis Vogt mussten sich in beiden Rennen mit einer Position jenseits der besten 20 begnügen.

Für die Schnellsten unter den Alpinen war es die erste Abfahrt der Saison, nachdem die geplanten Matterhorn-Rennen wegen Schneemangels abgesagt werden mussten. Nächstes Wochenende geht es in Beaver Creek weiter. Deutschlands Speedfahrer haben nach einem ernüchternden Winter plötzlich wieder einen Anwärter auf die Podestplätze.

Jordan Raza, dpa