Dressur-WM: Ärger über verschwiegene Corona-Infektion

Auch am Tag nach dem Corona-Schock war Isabell Werth fassungslos und entsetzt. «Das ist wirklich nicht zu glauben», sagte die erfolgreichste Reiterin der Welt zu der verschwiegenen Covid-Erkrankung des britischen Dressur-Reiters Gareth Hughes.

Es sei «nicht nachvollziehbar», dass der Kollege krank geritten und dann auch noch zur Siegerehrung erschienen sei: «Da ist kein Respekt den anderen gegenüber.»

Kaum zu glauben nach mehr als zwei Jahren Pandemie, dass die Konkurrenz und der Weltverband FEI erst auf der Pressekonferenz nach dem Teamwettbewerb der WM von der Infektion erfahren haben. Der britische Mannschaftskollege Richard Davison hatte die Infektion von Hughes am Sonntagabend öffentlich gemacht und nach der Silbermedaille seines Teams auf Nachfrage gesagt: «Er hat Covid.»

«Sind aus allen Wolken gefallen»

Dennis Peiler, Sportchef der Deutschen Reiterlichen Vereinigung FN, sagte am Morgen danach: «Wir sind aus allen Wolken gefallen. Wir waren völlig überrascht.» Werth berichtete über ihren Teamkollegen Frederic Wandres: «Freddi war echt geschockt, er hat ihm gratuliert und ihn umarmt.»

«Wir standen alle dicht an dicht», sagte die neunmalige Weltmeisterin über die Siegerehrung auf dem Podium, sie selber habe Hughes nicht umarmt. Die 53-Jährige aus Rheinberg fügte an: «Ich habe ja schon einiges erlebt, aber das ist echt strange.»   

Die deutsche Delegation bei der Dressur-WM in Dänemark wird trotz des Rittes des corona-infizierten Briten keinen Protest einlegen. «Nein, das werden wir nicht machen», sagte Equipe-Chef Klaus Roeser der Deutschen Presse-Agentur. «Das ist nicht unser Stil, sportlich ist es entschieden.» Ohne das Ergebnis des infizierten Hughes hätten die Briten am Sonntagabend in Herning nicht den zweiten Platz hinter Dänemark belegt, sondern Deutschland. Schweden hätte Bronze geholt.

Roeser: «Menschliche Enttäuschung»

Roeser kritisierte das Vorgehen des britischen Reiters als «menschliche Enttäuschung». FN-Sportchef Peiler kommentierte: «Das war ein grobes Foulspiel.» Er sagte: «Man schickt keinen infizierten Sportler in den Wettkampf. Das hat mit Verantwortungsbewusstsein nichts zu tun.» 

Herausgekommen ist die Infektion nur, weil der erkrankte Hughes bei der Pressekonferenz gefehlt hatte. Eine Sprecherin des britischen Teams hatte daraufhin gesagt: «Er muss nach den geltenden Gesetzen nicht in Quarantäne.» Alle Regeln seien eingehalten worden. «Er hat Abstand zu allen gehalten», behauptete sie. Mit dem Veranstalter sei das Vorgehen abgesprochen gewesen.

Die FEI habe erst «während der Pressekonferenz im Anschluss an die Medaillenverleihung» erfahren, «dass Gareth Hughes positiv auf Covid getestet worden war», sagte eine Sprecherin am Montag.

Die Verbands-Sprecherin fügte an: «In Dänemark gibt es derzeit keine staatlichen Covid-19-Beschränkungen und keine Anforderungen für Covid-Tests bei der Einreise in das Land. Die FEI hatte lediglich «medizinische Empfehlungen an die nationalen Verbände und ihre Athleten herausgegeben, um das Infektionsrisiko zu verringern und die Athleten zu schützen». Diese Ratschläge haben offensichtlich nicht gereicht.

Von Michael Rossmmann, dpa