Den Tag mit den «brutalsten Emotionen» in ihrem Leben wird Skirennfahrerin Lena Dürr wohl nie vergessen. Videos ihrer Slalomläufe bei den Olympischen Winterspielen erinnern die Münchnerin immer wieder «an das krasseste Hoch und Tief» ihrer Karriere.
«Tendenziell schaue ich natürlich den ersten Lauf», scherzte Dürr. In einem nervenaufreibenden Herzschlagfinale hatte die 31-Jährige im Februar bis zur letzten Zwischenzeit auf Goldkurs gelegen. Am Ende flossen im Schnee von Yanqing nach Platz vier bittere Tränen.
Acht Monate später blickt Dürr mit Stolz zurück auf die ruckelige Gefühls-Achterbahn in den chinesischen Bergen, auch wenn sich der Gedanke an «Was wäre, wenn…» nicht ganz vermeiden lässt. «Das war einer der geilsten Tage in meinem Sportlerleben, wenn nicht sogar der geilste», sagte Deutschlands beste Technikerin.
Dürr will den ersten Weltcup-Sieg holen
Auch ohne die erhoffte Medaille konnte sich Dürr im vergangenen Winter in der Weltspitze etablieren. Vier Podestplätze in ihrer Paradedisziplin und Rang drei in der Slalom-Gesamtwertung ließen aufhorchen bei Branchengrößen wie Petra Vlhova und Mikaela Shiffrin.
«Ich hoffe, dass wir die beiden knacken können. Ein Weltcup-Sieg ist das große Ziel», sagte Dürr vor dem Auftakt im Slalom-Weltcup an diesem Samstag in Levi – an jenem Ort, an dem vor einem Jahr mit dem ersten Podestplatz der Durchbruch gelang. «Mein Gefühl, meine Sicherheit ist eine andere. Letztes Jahr habe ich bis vor Saisonstart brutal gezweifelt. Alles komplett hinterfragt. Ich bin jetzt in einer anderen Phase», berichtete die Deutsche.
Die Vorbereitung im wechselhaften Südamerika war fordernder als sonst. Von gebrochenen Pisten über Gletschertraining und Fahren auf Salz sei alles dabei gewesen. «Ich bin jetzt noch mehr bereit, egal was auf mich zukommt», sagte Dürr, die sich vor allem vom gemeinsamen Training mit den Herren eine Leistungssteigerung erhofft. «Wenn ich sehe, wie sie bestimmte Linien fahren oder aus dem Start pushen, ist der Anreiz natürlich da, das auch so hinzubekommen.» Die Aggressivität von oben weg will Dürr in ihren Läufen perfektionieren.
Komplimente von Teamkollege Schmid
Teamkollege Alexander Schmid zeigte sich nach den gemeinsamen Stunden auf Argentiniens Pisten beeindruckt. «Ich traue ihr einiges zu. Die weiß ganz genau, was sie zu tun hat. Sie hat viel Schwung aus dem letzten Jahr und ist jetzt routinierter», sagte Schmid.
Dürrs ewige Reise in die Weltspitze dauerte über zehn Jahre. Mal ein Platz unter den Top 15, mal massiver Rückstand auf Shiffrin und Co. – die Quittung für die ernüchternden Leistungen kassierte Dürr vor über drei Jahren, als sie für sechs Monate ihren Kaderstatus verlor. Statt Servicemann und Kadertraining hieß es fortan: Ski selbst wachsen und eine eigene Trainingsgruppe suchen. «Das hat mich positiv geprägt», sagte Dürr. All diese Erfahrungen will die Münchnerin nun nutzen, um den ganz großen Coup zu schaffen.