Dürüm für den Weißwein-Liebhaber: Vingegaards Tour-Belohnung

Mit seiner Belohnung hat Jonas Vingegaard dann doch alle verblüfft. «Ich esse ein Dürüm», sagte der schmächtige Däne und grinste. Die gefüllte Fladenbrotrolle will sich Vingegaard allerdings erst nach der Rückkehr von der Tour de France nach Glingøre gönnen, seinem Wohnort im Norden Jütlands.

Zuvor sollte es für den Weißwein-Liebhaber in Paris mindestens das eine oder andere Glas geben. Mit 7:29 Minuten Vorsprung auf Tadej Pogacar ging es auf die Tour d’Honneur für den zweiten Tour-Sieg auf den Champs-Élysées.

Vingegaard wierholt seinen Vorjahressieg

Die letzte verzweifelte Attacke seines slowenischen Rivalen hatte Vingegaard am Samstag in den Vogesen mit Leichtigkeit abgewehrt. Den Tagessieg überließ er ihm gern. Kurz nach der Zieleinfahrt klingelte das Handy von Ehefrau Trine, Kronprinz Frederik war am Apparat. «Er hat ihr gesagt, dass er mir gratuliert und dass er es sehr beeindruckend findet, dass ich die Tour zweimal nacheinander gewonnen habe. Er war sehr glücklich», verriet Vingegaard.

Bis zu diesem Glück war es ein zähes Ringen, lange Zeit lagen der Däne und Pogacar nur wenige Sekunden auseinander. «Dieses Jahr war es ein unglaublicher Kampf zwischen mir und Tadej. Es war richtig hart, ihn zu knacken», sagte Vingegaard. Die Rivalität zwischen den beiden wird die nächsten Jahre prägen und dem Radsport große Duelle liefern.

Das Momentum hat Vingegaard. Im Vorjahr hatte er Pogacar um 2:43 Minuten distanziert, dieses Jahr erlebte sein Rivale auf der 17. Etappe den größten Einbruch seiner Karriere und verlor auf dem schwersten Teilstück der Tour fast sechs Minuten. «Ich habe mich selbst geknackt. Niemand sonst. Das war ich selbst», sagte Pogacar über seine «schlechteste Leistung von allen». Zudem war der Slowene durch einen im Frühjahr erlittenen Kahnbeinbruch beeinträchtigt, konnte sich nicht ideal auf die Tour vorbereiten.

Auf der anderen Seite lief es bei Vingegaard zu 100 Prozent nach Plan. Höhentrainingslager auf Teneriffa, in der Sierra Nevada und in Tignes wurden punktuell durch Renneinsätze unterbrochen. «In diesem Jahr werde ich 150 Tage nicht zu Hause bei meiner Familie sein. Man muss viele Opfer bringen, um Rennen zu gewinnen», sagte Vingegaard. Im Gegensatz zum Vorjahr wurde er weder von Krankheiten noch von Verletzungen ausgebremst.

Vingegaard: «Habe gelernt mit Druck umzugehen»

So kam der beste Vingegaard der Geschichte zur Tour und verblüffte vor allem mit dem sagenhaften Einzelzeitfahren am Fuße des Mont Blanc. Reflexartig kamen Zweifel auf, die Vergangenheit des Radsports ist allgegenwärtig. Er könne die Skeptiker verstehen, sagte Vingegaard. Er begrüße es sogar, wenn seine Leistung hinterfragt werde. Er nehme aber nichts, was er nicht auch seiner Tochter Frida geben würde.

«Ich werde jedes Jahr ein wenig besser. Es ist nicht so, dass ich 20 Prozent besser in einem Jahr werde. Es sind immer kleine Schritte», sagte Vingegaard. In diesem Jahr hat er an seiner Explosivität gearbeitet, was durchaus zu sehen war. Bis er zum Siegfahrer wurde, war es für den 1,75 Meter großen Mann von der dänischen Nordsee auch ein mentaler Kampf: «Vor zwei Jahren habe ich erst angefangen, Resultate zu liefern. Davor konnte ich mit dem Druck nicht umgehen, den ich mir selbst gemacht habe. Ich habe gelernt, damit umzugehen.»

Was ihm allerdings immer noch nicht ganz behagt, ist das Scheinwerferlicht. In dem wird er bei seiner Rückkehr nach Dänemark wieder stehen. Am Mittwoch wird ihm in Kopenhagen wieder ein großer Empfang bereitet. Vom Flughafen geht es im Cabrio zum Rathausplatz, wo ihn im Vorjahr Zehntausende empfingen. Einen Tag später geht es weiter nach Glingøre. Dort war man sich übrigens so siegessicher, dass man mit den Planungen für den Empfang schon im Januar begann. Ob dann auch Dürüm serviert wird, ist nicht bekannt.

Von Tom Bachmann und Felix Schröder, dpa