Es geht ein kollektives Seufzen durch den Pavillon 32 auf dem Messegelände Hannover. Auf dem German Esports Summit Mitte Dezember, ausgerichtet vom eSport-Bund Deutschland (ESBD), hat SPD-Politiker Philipp Meyn gerade die Argumentation des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) wiederholt: E-Sport sei zu trennen in Sportsimulationen auf der einen und anderen Wettkampfspielen, dem sogenannten «E-Gaming», auf der anderen Seite.
Das Publikum ist wenig begeistert, das Argument aus Sicht der Branche längst überholt. Der ESBD sieht E-Sport als geschlossenes Feld, in dem Sportsimulationen wie FIFA 23 genauso vertreten werden wie der Shooter Counter-Strike: Global Offensive (CS:GO) oder das Fantasy-Teamspiel League of Legends.
Der Moment steht sinnbildlich dafür, wo die Branche in Deutschland steckt: Während die Menschen, die sich darin bewegen, nach vorne preschen und weiterwollen, kollidieren sie nach außen immer wieder mit denselben Argumenten. Das beste Beispiel dafür ist die Gemeinnützigkeit – also Vereinen, die E-Sport anbieten, steuerliche Vorteile und Zugang zu staatlichen Zuschüssen zu geben.
Gemeinnützigkeit für E-Sport lange versprochen
Die Bundesregierung aus SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP hat es sich im Koalitionsvertrag zur Aufgabe gemacht, «E-Sport gemeinnützig» zu machen. Die vorherige Regierung aus CDU/CSU und SPD hatte ähnliches vor. Doch geschehen ist dabei bisher, außer vielen Diskussionsrunden und Beteuerungen der baldigen Umsetzung, eher wenig.
Insbesondere Sportvereine fordern diese Anerkennung. Wollen sie, etwa um neue Mitglieder anzuziehen, E-Sport anbieten, gefährden sie damit ihre eigene Gemeinnützigkeit. Gelöst wird das dann oft durch Umwege, beispielsweise durch die Ausgliederung der E-Sport-Abteilung in eine eigene Unternehmergesellschaft oder über den Zweck der Jugendarbeit.
Der politische Wille, klare Regeln zu schaffen, wird auf dem German Esports Summit erneut formuliert. «Die nötige Anpassung des Gemeinnützigkeitsrechtes hat in diesem Jahr leider noch nicht geklappt. Ich sage aber ganz klar, dass wir hier dranbleiben», sagt Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, in einem Grußwort. Das von den Grünen geführte Wirtschaftsministerium ist in der Ampelkoalition für Gaming und E-Sport zuständig. Gemeinnützigkeitsfragen liegen jedoch beim Finanzministerium unter Christian Lindner (FDP).
Kellner: E-Sport nicht nur Sportsimulationen
Kellner betont, dass er beim E-Sport nicht nur Sportsimulationen einschließt. «Wenn ich heute von E-Sport spreche, sind damit alle relevanten Titel gemeint: von League of Legends über FIFA und Rocket League bis CS:GO und Valorant.» Im Wirtschaftsministerium scheint die Argumentation des ESBD um die Geschlossenheit des E-Sport angekommen zu sein.
«E-Sport ist Sport», sagt Kellner dann auch im Interview der Deutschen Presse-Agentur. «Es ist ganz normal Teil unserer Gesellschaft, da muss man gar nicht darüber diskutieren.»
Ziel: gesellschaftliche Gleichstellung von E-Sport
Einer, der vor allem den letzten Punkt genauso sieht, ist Ralf Reichert, Gründer und mittlerweile Chairman der ESL Faceit Group (EFG). Er findet die Gemeinnützigkeit wichtig, für ihn steht aber vor allem die gesellschaftliche Gleichstellung von E-Sport mit dem Sport im Vordergrund.
Die Gemeinnützigkeit sei dafür eine Brücke. «Der Staat sollte Computerspielräume schaffen – genauso wie er auch Fußballplätze schafft.» Erstmal sei es aber wichtig, den Menschen, die diese Räume schaffen wollen, keine Hindernisse in den Weg zu stellen. Die EFG als privatwirtschaftliches Unternehmen würde von der Gemeinnützigkeit nur indirekt profitieren.
Reichert geht es darum, «im Breitensport zu ermöglichen, dass klassische Strukturen Gaming und E-Sport anbieten können und vor allem der Jugend Räume anbieten können, in denen kontrolliertes Spielen möglich ist.» Ein Weg wäre hier auch die Jugendarbeit. Nur ist die oft weniger gut ausgestattet als der klassische Sport.
Rechtssicherheit für E-Sport schaffen
Wie auch immer die Regelung am Ende aussehen wird – was alle in der Diskussion betonen ist: Rechtssicherheit. Chancen, diese Rechtssicherheit zu schaffen, gab es immer wieder, zuletzt bei der Beratung über das Jahressteuergesetz, wie «GamesWirtschaft.de» Mitte Dezember berichtete. Die Gemeinnützigkeit für den E-Sport wurde erneut nicht beschlossen. Dem Bericht zufolge machte die FDP die Koalitionspartner für das Scheitern verantwortlich, die Grünen wiederum das Finanzministerium.
Die Politik vertröstet auf das kommende Jahr. «Ziel ist es, noch 2023 in einem Gesamtpaket neben E-Sport auch anderen Vereinen Rechtssicherheit zu geben», sagte Staatssekretär Kellner in seinem Grußwort beim E-Sport-Gipfel. Die Diskussion wird also weitergehen.