Simon Geschke rollte abgeschlagen und völlig allein über den Zielstrich und genoss einen der größten Erfolge seiner Karriere.
Der Berliner eroberte mit letzter Kraft das Bergtrikot der Tour de France, nachdem am Morgen noch sein Kapitän wegen eines positiven Coronatests aus dem Rennen genommen wurde. «Ich bin ein paar Tode gestorben an der letzten Bergwertung. Es hat sich aber gelohnt», sagte Geschke der ARD nach seinem Coup. Am Dienstag wird der 36-Jährige als achter Deutscher das berühmte weiße Trikot mit den roten Punkten tragen.
Im Ziel der ersten Alpenetappe im Skigebiet Les Portes du Soleil durfte Geschke das begehrte Stück Stoff bei der Siegerehrung schon einmal zur Probe tragen. Der bisher letzte Deutsche war Paul Voß 2016. Mit 19 Punkten ist Geschke einen Zähler besser als Etappensieger Bob Jungels aus Luxemburg.
Keine Attacken der Favoriten
In der Gesamtwertung verzichteten die Favoriten auf Attacken, so dass Tadej Pogacar weiterhin 39 Sekunden vor dem Dänen Jonas Vingegaard liegt. «Ich genieße es jetzt, übermorgen im Bergtrikot an den Start zu gehen, wenn mir Corona nicht einen Strich durch die Rechnung macht», sagte Geschke, der 2015 bereits zu Tour-Ruhm kam, als er die Bergetappe nach Pra-Loup gewann.
Die verpflichtenden Corona-Tests werden bei den Fahrern bereits am Sonntagabend vorgenommen. Fällt ein Schnelltest positiv aus, wird das Ergebnis mit einem PCR-Test verifiziert. «Ich habe da keine Angst vor», sagt Bora-Profi Lennard Kämna. «Was soll ich machen? Entweder ich bin positiv oder nicht.»
Kurz vor dem Start in Aigle bekannt, dass Geschkes Kapitän Guillaume Martin wegen eines positiven Coronatests das Rennen verlassen muss. Der studierte Philosoph lag als 14. aussichtsreich im Rennen. Geschke hatte ohnehin vor, in die Fluchtgruppe des Tages zu gehen und setzte seinen Plan in die Tat um. Eine 20 Fahrer starke Gruppe, zu der auch der deutsche Meister Nils Politt gehörte, setzte sich früh ab. Geschke gewann die vorletzte Bergwertung, rettete dann mit letzter Kraft am Schlussanstieg zwei Punkte.
Den Tagessieg wollte Dominator Pogacar auf der ersten echten Alpenetappe nicht. Sein UAE-Team verwaltete nur den Vorsprung der Ausreißer. Pogacar machen die Sorgen über das Coronavirus mehr zu schaffen als die Konkurrenz im Rennen. Der 23-Jährige sorgt sich vor allem um die Gefahr von außen. «Jeden Tag schreien einen die Leute an den Anstiegen an, was ich mag. Aber es steigert die Wahrscheinlichkeit, sich mit Viren anzustecken», sagte der Slowene. Pogacar hofft, dass das Virus nicht in der Team-Blase ist und der Norweger sich tatsächlich durch einen Fan angesteckt hat. «Ich hoffe, dass es das war und wir bis zum Ende sicher sind.»
Nervosität im Peloton steigt
Drei neue Fälle gab es über das Wochenende. Neben Martin und Poagcars Teamkollegen Vegard Stake Laengen musste auch der Franzose Geoffrey Bouchard das Rennen verlassen. Vor dem ersten Ruhetag am Montag stieg die Nervosität im Peloton, wie viele Fahrer es bei den ersten verpflichtenden seit dem Start in Kopenhagen Tests erwischen würde. Nach über einer Woche Ruhe ist das Virus plötzlich zurück im Peloton, nachdem vor dem Start in Kopenhagen sechs Fahrer ihren Start zurückziehen mussten. Ironischerweise wurde Jungels vor dem Start ebenfalls positiv getestet, profitierte jedoch von einer neuen Regeln, nach der ein symptomfreier und nciht ansteckender Profi trotzdem fahren darf.
Das Cofidis-Team von Geschke und Max Walscheid war die erste Équipe, die ihren Kapitän verlor. «Man kann nur das Möglichste tun, um sich zu schützen. Ich denke, das haben wir auch gut gemacht. Das ist dann einfach Pech», sagte Walscheid der Deutschen Presse-Agentur vor dem Start der neunten Etappe und fügte hinzu: «Das ist schon blöd, weil wir uns alle so akribisch vorbereiten und einfach das Rennen so groß und so hart ist. Es lässt sich einfach nicht ändern. Das gehört jetzt leider dazu, damit müssen wir umgehen.» Walscheid rechnet noch mit weiteren Fällen.
Pogacar gab sich dagegen noch relativ gelassen. «Covid ist kein Rivale. Es ist nur ein Virus, das Dinge beeinflussen und eine Tour ruinieren kann», sagte Pogacar. Rivalen seien Fahrer von Teams wie Jumbo und Ineos. Der 23-Jährige sei zuversichtlich, dass sein UAE-Team auch mit sieben Fahrern noch stark genug sei.