Körperlich hat der Skispringer Daniel-André Tande alle Herausforderungen nach seinem Horrorsturz im Eiltempo geschafft. Koma, Notoperation, Transport in die Heimat, Operation am Schlüsselbein, Krankenhaus-Entlassung, Reha, weitere Genesung und sportliche Rückkehr an die Schanze.
Gerade einmal fünf Monate, nachdem der norwegische Ausnahmeflieger in Planica quer und unkontrolliert durch die Luft segelte und auf dem Vorbau heftig aufschlug, sprang er als fitter Sportler wieder Schanzen hinunter.
Emotional ist das Ganze nicht so einfach. Der 28-Jährige erinnert sich nicht an den Sturz, der schrecklich aussah und dramatische Momente nach sich zog. Eine punktierte Lunge, einen Bruch des Schlüsselbeins und vier innere Hirnblutungen trug Tande davon. «Wären die größer gewesen, hätte ich als ein ganz anderer Mensch aufwachen können», sagte Tande. Stattdessen kämpfte er sich zurück in Norwegens Kader, bis er Anfang März wieder einen Weltcup am Holmenkollen in Oslo gewann. Doch selbst mit der vollzogenen Rückkehr in die Weltspitze ist etwas hängengeblieben.
Für das Skifliegen braucht Tande noch Zeit
Tande hat die Saison nun vorzeitig beendet und verzichtet auf ein Wiedersehen mit der Riesenanlage von Planica, wo er an diesem Freitag am Jahrestag des Sturzes hätte springen sollen. «Das letzte Jahr war so viel mehr, als ich je zu träumen gewagt hatte, und alles endete mit einer weiteren Mannschaftsmedaille bei der Skiflug-WM»!, schrieb Tande auf Instagram. Er habe entschieden, dass er für das Skifliegen noch etwas mehr Zeit brauche.
Im norwegischen Vikersund hatte er dies erstmals seit dem Sturz wieder gemacht – eine Anfahrtsgeschwindigkeit von mehr als 100 Stundenkilometern, Weiten von über 225 Metern und rund acht Sekunden Luftfahrt weckten Erinnerungen an das Drama 2021. Tande sprang vorsichtig, für die Spitze im Einzel reichte es nicht, doch im Team gab es immerhin Bronze. «Das hat ihn schon sehr beschäftigt», sagte Chefcoach Alexander Stöckl der Deutschen Presse-Agentur.
Stöckl fuhr im Auto mit Tande zur Heim-Flugschanze der Norweger, auf der genauso wie an den anderen drei Flugschanzen der Welt in Planica, Oberstdorf und Bad Mitterndorf nie trainiert wird. Trainer und Athlet waren vorab optimistisch, gerade nach dem überraschend starken Saisonverlauf mit einem Weltcup-Sieg und einem weiteren Podestplatz.
Lieber absagen, wenn man sich nicht wohlfühlt
«Wir müssen ihm Zeit geben, dass er das verdaut», sagte Stöckl nun, nachdem die Rückkehr auf die Riesenanlage vollzogen war. Die Entscheidung, den im vergangenen Jahr emotional schwer geplagten Springer nicht noch mit der Planica-Rückkehr zusätzlich zu stressen, trafen Stöckl und Tande dann gemeinsam.
Der 48 Jahre alte Österreicher ist begeistert, wie schnell sein Schützling die Rückkehr gemeistert hat. «Ich glaube, er hat gelernt, professioneller zu arbeiten. Er macht sich über mehrere Dinge Gedanken. Die absolute Leichtigkeit ist nicht mehr so da, das ist glaube ich gar kein Nachteil», sagte Stöckl. Zu diesen Gedanken zählt wohl auch, lieber noch einmal abzusagen, wenn man sich noch nicht wieder wohlfühlt.