«Eine Menge Impulse»: DFB bildet zwei Kommissionen

Wenn die Fußball-Not groß ist, gründet man eine Arbeitsgruppe – DFB-Boss Bernd Neuendorf gründet nach dem schmerzhaften WM-Debakel in Katar sogar gleich zwei.

Die Fußball-Schwergewichte Karl-Heinz Rummenigge, Rudi Völler, Oliver Kahn und Matthias Sammer sollen einen oder mehrere Nachfolger für Oliver Bierhoff finden und der Nationalmannschaft den Weg für eine erfolgreiche Heim-EM 2024 ebnen. Komplettiert wird die als Beraterkreis titulierte Gruppe der Glorreichen Sieben von Red-Bull-Chef Oliver Mintzlaff, DFL-Chef Hans-Joachim Watzke und Neuendorf selbst.

Ruhig im Ton, phasenweise für den emotionalen Anlass fast schon zu spröde, verkündete Präsident Neuendorf bei einer 70-minütigen Pressekonferenz auf dem Campus des Deutschen Fußball-Bundes seinen Rettungsplan. Der sieht neben dem streitbaren rein männlichen Promi-Zirkel aus Fußball-Heroen älteren Semesters mit einem Durchschnittsalter knapp unter 60 Jahren eine verbandsinterne Kommission vor. Dieser gehören EM-Cheforganisator Philipp Lahm und mehrere den meisten Fans unbekannten DFB-Mitarbeitern an, sie sollen die Strukturen im Verband in der alten Bierhoff-Direktion unter die Lupe nehmen.

Fokus auf der Heim-EM

Die prekäre Lage für den DFB und sein Aushängeschild Nationalmannschaft hat Neuendorf nach der dritten Turnierenttäuschung in Serie erkannt: «Mir ist bewusst, dass wir eine Heim-EM haben. Wir werden schon Druck drauf geben und das nicht schleifen lassen. Aber wir haben nur den einen Schuss, der muss sitzen», verkündete der 61-Jährige in einem seiner wenigen spürbar emotionalen Sätze. «Wir müssen die Kräfte bündeln, denn die EM muss zum Erfolg werden», postulierte der Politik-Profi Neuendorf.

Auch Rummenigge hob die Bedeutung der Aufgabe hervor. «Die wichtigste Mannschaft des Landes ist nicht Bayern München, sondern die Nationalelf», sagte der ehemalige Vorstandschef des FC Bayern der Mediengruppe «Münchner Merkur/tz» (Mittwoch). Es gelte einen Wandel der gedämpften Stimmung in Deutschland mit Blick auf das Nationalteam zu sorgen.

Neuendorf sprach bei seinem ersten öffentlichen Auftritt seit der WM-Rückkehr auch darüber, dass er in Katar Fehler gemacht habe, so zum Beispiel im Krisenmanagement rund um die «One Love»-Armbinde, als die FIFA ihre Macht ausspielte. Alle nun entbrannten Personal-Spekulationen um Hertha-Geschäftsführer Fredi Bobic oder Rio-Held Per Mertesacker als mögliche Bierhoff-Nachfolger ließ der DFB-Chef unkommentiert. Angesprochen auf die Selbstbewerbung von 1990er-Weltmeister Jürgen Kohler, musste er sich allerdings ein spöttisches Schmunzeln fast verkneifen. Über Namen werde jetzt gewiss noch nicht gesprochen, realistische wie unrealistische, war die Botschaft.

Schnelle Ergebnisse für eine Strukturreform oder die Regelung des Bierhoff-Erbes wird es also nicht geben. Immerhin: Noch vor Weihnachten sollen beide Gremien erstmals tagen, bevor dann im Januar Fahrt aufgenommen wird, wie Neuendorf versprach. In der Rolle des informierten Zuschauers bleibt Bundestrainer Hansi Flick. «Alles, was jetzt besprochen wird, wird mit Hansi Flick rückgekoppelt. Ich bin sicher, dass wir zu einer einvernehmlichen Lösung kommen», sagte der DFB-Chef über die Kommunikation mit dem Chefcoach. Die Position erfordere «Kooperation, kein Gegeneinander», meinte Neuendorf.

Flick nicht Teil des Beratergremiums

«Gehen sie davon aus, dass der Draht besteht und er sich einbringen wird. Aber er ist nicht Teil des Beratergremiums», stellte Neundorf klar. Inwiefern Flick also ein Vetorecht hätte, wenn die Nachfolge seines Freundes und Vertrauten Bierhoff doch nicht in seinem Sinne geregelt wird, bleibt somit nicht genau definiert.

Die enorm betroffen klingenden Ausführungen Flicks zum Bierhoff-Aus hatten den Schluss nahegelegt, dass Flick eventuell noch hinwirft, wenn ihm die eines Tages präsentierte Personallösung missfällt. Er könne sich nicht vorstellen, wie die «Lücke geschlossen» werden soll, hatte der 57-Jährige auf der Verbandshomepage klargemacht. Eine Kurzschlusshandlung des im ersten Turnieranlauf gescheiterten Chefcoachs schloss Neuendorf aus. «Er hat zu erkennen gegeben, dass er die EM erfolgreich gestalten will. Das ist sein Ziel», formulierte er einen seiner vielen nüchternen Sätze.

Flick wird ohnehin noch ohne administrativen Begleiter in die ersten EM-Testspiele im März gehen. Einen konkreten Zeitplan für die Neustrukturierung der riesigen Aufgabenfelder von Akademie, Nachwuchskonzept, prekären Finanzen und der Kernkompetenz Nationalmannschaft, die mit dem Bierhoff-Aus brach liegen, nannte Neuendorf nämlich ganz bewusst nicht.

Kritik am reinen Männer-Club

Den Reflex der Gründung einer prominenten Arbeitsgruppe, die den DFB auf die Erfahrungen aus dem großen Krisenjahr 2000 zurückwirft, als Karl-Heinz Rummenigge eine Task Force leitete, konnte Neuendorf nach «vielen, vielen Gesprächen» nicht verhindern. Die sofort aufkommende Kritik an der Zusammensetzung des reinen Männer-Clubs mit großem Bayern- und Dortmund-Gewicht wies er aber zurück.

«Natürlich war mir klar, dass man Reaktionen bekommt auf die Zusammensetzung. Damit muss man einfach leben. Es ist ein Kreis von hoch akzeptierten Leuten. Ich glaube nicht, dass jemand die Interessen des eigenen Vereins im Blick hat. Diese Menschen, die da zusammenkommen, haben ein hohes Verantwortungsgefühl», versicherte Neuendorf. Immerhin in der DFB-internen Arbeitsgruppe sind in Generalsekretärin Heike Ullrich und EM-Botschafterin Célia Šašić zwei Frauen vertreten.

«Es geht um die künftige Entwicklung der Männer-Fußball-Nationalmannschaft im DFB. Alle diese Personen haben eine Verbindung zum DFB, sie kennen den Verband. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass ein Know-how vertreten ist in der Runde», verteidigte Neuendorf seine Personalauswahl für den Beraterkreis.

«Wir reden immer viel über Diversität und letztendlich schaffen wir es selbst nicht, diese Werte umzusetzen», bemängelte die frühere Nationalspielerin Tabea Kemme bei MagentaTV. Ex-Weltmeister Toni Kroos zeigte sich weniger kritisch: «Über die genaue Zusammensetzung kann man ewig diskutieren. Ich finde, da sind Leute drin, die haben über Jahre mit ihren Vereinen Erfolg gehabt.»

Arne Richter, Eric Dobias, Jörg Soldwisch und Jan Mies, dpa