Einst der Opa, jetzt der Enkel: Ein Gold dahoam soll her

Diese besondere Familiengeschichte passt perfekt zum Münchner Olympia-Jubiläum. 50 Jahre nach der Ruder-Goldmedaille seines Opas strebt Oliver Zeidler in dieser Woche auf derselben Regattastrecke in Oberschleißheim den EM-Titel an.

«Ich möchte auf jeden Fall eine Medaille gewinnen. Es wäre schön, wenn ich meinen Europameistertitel verteidigen könnte», sagt der 26-Jährige. Als zweimaliger Europa- und einmaliger Weltmeister ist er bei den European Championships vom 11. bis 21. August in München einer der Top-Kandidaten für eine deutsche Goldmedaille.

Oberschleißheim «zweites Zuhause»

Fast täglich kommt der 2,03 Meter große Modellathlet aus Schwaig bei Erding an die Regattastrecke, die auch Großvater Hans-Johann Färber «das zweite Zuhause» nennt. Während sich der Enkel an diesem sonnigen Morgen auf das Training vorbereitet, denkt Färber im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur gerne an die olympische Sternstunde seines Vierers zurück. Erst nannte man das Boot, den Deutschland- oder Bodensee-Vierer, ehe später vom «Bären-Vierer» oder «Bullen-Vierer» die Rede war, das vor dem DDR-Boot siegte.

«Es war der größte Erfolg meiner Karriere, in der ich viele Niederlagen und Höhepunkte erlebt habe», sagt der 75-Jährige mit einem Lächeln – und erwartet während der EM-Tage besondere Gefühle: «Da werden die Erinnerungen an 1972 nochmal richtig wach werden. Ich hoffe auf eine entsprechende Kulisse. Vermutlich wird es nicht so viele Zuschauer geben wie 1972.» Damals war das Interesse riesengroß.

Wie Zeidler, der von seinem Vater Heino – auch ein Ex-Ruderer – trainiert wird, so ist auch Färber sehr oft an der Regattastrecke anzutreffen. Er trainiert Zeidlers Schwester Marie-Sophie, die auch bei den Titelkämpfen in München startet. Insgesamt ist die Ruder-Familie aber noch größer. Onkel Matthias Ungemach war Weltmeister im Achter, Tante Judith Zeidler Olympiasiegerin im Achter. «Es sind weniger die Gene, sondern mehr die Einstellung, die man mitbekommen hat. Für den Erfolg ist man ohnehin immer selbst verantwortlich, weil man viel dafür tun muss», sagt Oliver Zeidler.

Er selbst ist dafür sicher ein Paradebeispiel. Einst war er Schwimmer, doch nachdem sich seine Trainingsgruppe aufgelöst hatte, stieg er erst 2016 aufs Ruderboot um. Seine Kraftwerte waren herausragend, doch ein Selbstläufer ist so ein Wechsel nicht. «Ergometer schwimmen nicht, sagt man im Rudersport», erklärt Zeidler. «Es gehört viel mehr dazu als Kraftwerte. Gefühl, Technik und das Verständnis für die ganze Materie.»

Begeisterung fürs Rudern in der Familie immer groß

Dabei hatte der Großvater früher vermutlich nicht gedacht, dass sein Enkel ihm eines Tages in dieser Sportart nacheifern könnten. «Mit 15 oder 16 ist er nach ein paar Schlägen ins Wasser gefallen», erinnert sich Färber. «Da hat er gesagt, Opi, das ist kein Sport für mich. Im Wasser ist besser als auf dem Wasser.» Dann kam aber alles doch anders. «Es ist schön, dass gleich zwei Enkel den Weg ohne Zwang zum Rudern gefunden haben und mit großer Liebe und viel Elan dabei geblieben sind», findet der 75-Jährige.

Die Begeisterung für den Sport war in der Familie immer schon groß. Naheliegend, wenn man den Opa im Bildband der Sommerspiele 1972 entdeckt. «Als Kind hat man sich die Medaillen und Olympiabücher angeschaut. Ich fand es cool, darin Bilder vom Großvater zu sehen», erinnert sich Oliver Zeidler.

Am Donnerstag startet er bei den Championships, bei denen in neun olympischen Disziplinen 177 EM-Medaillenentscheidungen anstehen, gleich zum Auftakt. Das Einer-Finale findet am Sonntag statt. «Der Olympiasieg war der größte Erfolg von Opas Karriere – und vor heimischem Publikum ist das natürlich was ganz Besonderes. Er hat mir viel erzählt von damals, mit der Strecke, mit den Zuschauern», sagt der Sportler von der Frankfurter RG Germania. «So eine Begeisterung wie damals kann man sich heute schwer vorstellen im Rudersport.»

Eine Olympia-Medaille – wie sie im Wohnzimmerschrank des Großvaters liegt – ist auch das große Ziel Zeidlers. Als Goldkandidat war er in Tokio im vergangenen Jahr nur Siebter geworden. «Das Jahr 2021 ist für mich erledigt, der Blick geht nach vorne», sagt er. «In zwei Jahren sind wieder Olympische Spiele, da liegt jetzt der Fokus drauf. Wir machen erstmal bis Paris weiter und dann schauen wir weiter.»

Von Christian Kunz, dpa