Anne Haug goss sich mit letzter Kraft eine Flasche Wasser über den Kopf und sank der Länge nach völlig erschöpft auf den heißen schwarzen Teppich im Zielbereich. Nicht mal das Bier bei der Siegerehrung wollte die 39 Jahre alte Profi-Triathletin aus Bayern.
«Man hat kein Abo auf den Sieg», sagte Haug, entthront, aber glücklich und stolz auf ihre starke Leistung bei der Ironman-Weltmeisterschaft in St. George. «Es war echt unglaublich hart», sagte sie: «Im Marathon war es dann Sterben auf Raten.»
Gegen die überragende Schweizerin Daniela Ryf bei deren insgesamt fünftem WM-Triumph und Kat Matthews aus Großbritannien hatte das Bayreuther Leichtgewicht trotz einer grandiosen Laufleistung keine Chance bei der ersten WM, die nicht auf Hawaii stattfand.
«Es wird eine Hassliebe zwischen uns werden»
Und bei der der Ausnahme-Premiere im US-Bundesstaat Utah gingen Serien zu Ende. Vor allem deutsche, vor allem bei den Männern, wo der Norweger Kristian Blummenfelt sich und sein Ausnahme-Jahr 2021 mit dem Titel krönte. Offiziell wird er nach dem Olympiasieg 2021, dem Kurzdistanz-WM-Erfolg 2021 und der Weltbestzeit 2021 nun auch noch als Ironman-Champion 2021 geführt. Das Rennen in St. George war die Nachhol-WM vom Oktober 2021, weil zum zweiten Mal nacheinander auf Hawaii wegen der Corona-Pandemie nicht gestartet werden konnte.
«Es wird eine Hassliebe zwischen uns werden», prophezeite bereits der ebenfalls entthronte Jan Frodeno mit einem Lächeln, zugeschaltet in der Übertragung des hr-Fernsehens aus seiner Wahlheimat Girona. Nach einem Teilriss der Achillessehne fehlte auch der Weltmeister von 2015, 2016 und 2019. «Ich bin mal sehr gespannt, wie es eines Tages endet, wenn wir hoffentlich mal schaffen aufeinanderzutreffen», sagte Frodeno mit Blick auf den nun erst recht erhofften Showdown wieder auf Hawaii im Oktober. Der mittlerweile 40 Jahre alte gebürtige Rheinländer ist nun auch nicht mehr der einzige Triathlet mit Olympia- und Ironman-Gold.
Beim Marathon düpierte Blummenfelt die Konkurrenz
Dass Blummenfelt nach einer Erkältung laut seinem Trainer nur bei 90 Prozent war, lässt erahnen, was da noch kommen kann. «Hut ab», lobte auch Patrick Lange, ebenfalls wegen einer Verletzung fehlender Champion der Jahre 2017 und 2018, den neuen Champion. Nach 3,86 Kilometer Schwimmen im Sand Hollow Reservoir und 180,2 Kilometer Radfahren auf einer schweren Auf-und-Ab-Strecke lag Blummenfelt noch gar nicht unbedingt auf Medaillen-, geschweige denn auf Siegkurs.
Mit einem Marathon in 2:38:01 Stunden düpierte der kräftige und muskulöse Athlet aus Bergen die komplette Konkurrenz. «Vielleicht bin ich schneller losgelaufen, als ich sollte», meinte er – für die ersten 21 Kilometer hatte er rund 1:17 Stunden gebraucht. Hinter Blummenfelt sicherte sich Lionel Sanders aus Kanada auf den letzten Metern Platz zwei vor Braden Currie aus Neuseeland.
Bester Deutscher wurde Florian Angert. Der 30-Jährige war ganz lange in der Spitzengruppe dabei, zeigte eine starke Leistung, wurde am Ende aber von Krämpfen gequält. «Mehr als happy», sei er, sagte Angert: «Es war meine erste WM, ich kann es gar nicht beschreiben.»
Sebastian Kienle, der 2014 die deutsche Titel-Ära eingeleitet hatte, kam als 14. ins Ziel. «Jetzt erst mal Eisbad und Whirpool im Wechsel», sagte der mittlerweile 37-Jährige, der bei seiner letzten WM im Oktober auf Hawaii noch einmal angreifen will: «Ich selbst schreibe mich noch nicht ab.» Im kommenden Jahr will Kienle mit einer Schaulauf-Saison seine Karriere ausklingen lassen.
Boris Stein wurde 17., Andreas Dreitz musste nach einer Kollision auf der Radstrecke mit einem Motorrad verletzt und mit gebrochener Vorderradgabel aufgeben. Damit gab es für die deutschen Männer zum ersten Mal seit 2008 keine Medaille. Bei den Frauen wurde Laura Zimmermann bei ihrer WM-Premiere 16.
Vorn tat Haug alles, um den Anschluss an die Führende Ryf auf ihrer Paradestrecke zu verkürzen. Auf dem Rad hatte sie den Kontakt zu der Schweizerin abreißen lassen müssen, fuhr lange ein einsames Rennen, vorbei an der atemraubenden Kulisse mit den rötlichen Canyons. «Ich habe gedacht, wie soll ich nach dem Radfahren noch einen Marathon laufen», erzählte Haug. Sie hat es gemacht, in 2:56 Stunden. Keine Profi-Triathletin war schneller auf den 42,195 Kilometern.