Weltfußballer Robert Lewandowski geht mit großem Frust in den Urlaub – und das nach seiner denkwürdigen Rekord-Saison mit dem FC Bayern.
«Das muss man erst mal verdauen, und das wird nicht leicht», sagte Lewandowski nach dem Vorrunden-Aus mit Polen bei der EM mit leiser Stimme und traurigem Blick: «Es wird schwer sein, sich damit abzufinden.»
Und dieser Frust und diese Traurigkeit, das war dem 32-Jährigen klar, werden noch größer werden. «Manchmal, wenn man sich ein paar Stunden zu Hause oder im Hotel hinsetzt, dann kommt das erst bei einem an», sagte Lewandowski nach dem abschließenden 2:3 (0:1) gegen Schweden am Mittwoch in St. Petersburg: «Und das sind die schlimmsten Momente im Leben eines Fußballers.»
Ein Lewandowski reicht nicht
Persönlich hatte der Kapitän, Rekordspieler und Rekordschütze der Polen nach seiner Bestmarke von 41 Bundesliga-Toren in einer Saison endlich auch mal ein gutes Turnier im Nationaltrikot folgen lassen. Er schoss alle drei Tore der Bialo-Czerwoni (Weiß-Roten), ist nun auch noch deren EM-Rekordtorschütze. Doch letztlich hatte der Wettbewerb das bestätigt, was viele in Polen vorher schon geahnt hatten: Im Nationalteam ist Lewandowski auf sich gestellt. Und einer alleine reicht nicht. Nicht einmal, wenn er Weltfußballer ist.
«Er trug die Mannschaft geradezu auf dem Rücken. Aber all seine Mühen konnten die Fehler der Kollegen nicht ausgleichen», schrieb die Tageszeitung «Rzeczpospolita». Noch extremer beschrieb es die «Gazeta Wyborcza»: Lewandowski sei eine «Ein-Mann-Belagerungsmaschine» gewesen: «Er nahm den Ball in der Mitte des Spielfelds oder am Flügel an und drang durch ein Gewimmel der Gegner hindurch. Er hätte sich vermutlich nicht mal vor allen acht Millionen Schweden gefürchtet – wenn er sie überhaupt bemerkt hätte. Aber man kann Fußball nicht in ein Individualspiel verwandeln.»
Bayern-Star als Antreiber
Das hatte Lewandowski auch gar nicht vor. Auf einem Ego-Trip war er bei dieser EM keineswegs. Nach dem 0:2-Rückstand durch zwei Treffer des Leipzigers Emil Forsberg wirkte sein Schlenzer zum 1:2 «wie ein Schluck frisches Wasser in der Wüste», wie die «Rzeczpospolita» schrieb. Lewandowski trieb sein Team immer wieder an. Ruderte mit den Armen, rief, meckerte, munterte auf. Er schoss den Ausgleich. Es fehlte nur noch ein Tor zum Achtelfinale. Doch das fiel in der Nachspielzeit auf der anderen Seite. Der Traum war beendet.
Und nun? Zeichen für einen Rücktritt Lewandowskis aus dem Nationalteam gibt es bisher nicht. Doch die «Gazeta Wyborcza» fragte schon offen, «ob ihm schon der Gedanke durch den Kopf gegangen ist, dass die Chance seines Lebens auf einen Erfolg mit Polens Nationalmannschaft schon hinter ihm liegt?» 2016 war dies wohl, als die Polen im Elfmeterschießen des EM-Viertelfinales am späteren Europameister Portugal scheiterten. Abseits davon schied Lewandowski mit den Polen zum dritten Mal in der Vorrunde aus. «Mamma Mia, immer dasselbe!», schrieb deshalb die «Przeglad Sportowy».
«Weg in die Zukunft suchen»
«Damit muss man dann fertig werden und den Weg in die Zukunft suchen», sagte Lewandowski am Mittwoch. Es bleibt aber spannend, ob er nach dem Frust-Urlaub noch einmal die Motivation aufbringt, einen neuen Anlauf als Einzelkämpfer zu starten. Zumal die Qualifikation für die WM 2022 nach mäßigem Start in Gefahr ist.
Umgekehrt gestaltet sich die Situation bei Trainer Paulo Sousa. Der frühere Mittelfeldspieler von Borussia Dortmund, schon vor dem Turnier kritisch beäugt, würde gerne weitermachen. Offen ist, ob er das darf. Mut machte jedenfalls Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki via Twitter. «Ich danke der polnischen Nationalmannschaft für den ehrgeizigen Kampf bis zum Ende», schrieb er: «Der Kampf gegen Spanien und Schweden hat eine neue, bessere Mannschaft gezeigt.» Doch auch das wird Lewandowski kaum getröstet haben.