«Extrem schweres Gepäck»: BVB-Winterpause im Krisenmodus

Der Trainer ratlos, die Mannschaft ohne Form und die Vereinsbosse in Erklärungsnot – Borussia Dortmund steht eine lange Winterpause im Krisenmodus bevor.

Nach dem sportlichen Offenbarungseid beim 2:4 (2:3) in Mönchengladbach und dem Absturz aus den Champions-League-Rängen ist der Betriebsfrieden empfindlich gestört. Entgegen üblicher Marktmechanismen steht Fußball-Lehrer Edin Terzic jedoch nicht zur Disposition. «Er macht einen tollen Job. Wir sind von ihm zu tausend Prozent überzeugt», sagte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke am Sonntag beim TV-Sender Bild.

Der BVB-Chef stellte einen langen Verbleib des Nachfolgers von Marco Rose in Aussicht: «Lass den Jungen mal machen, der hat noch eine lange Zeit beim BVB vor sich. Unabhängig davon, ob er drei oder sechs Punkte weniger hat als sein Vorgänger.» 

Doch das 0:2 in Wolfsburg und das 2:4 bei Borussia Mönchengladbach binnen vier Tagen hinterließen bei allen Beteiligten mächtig Wirkung. Die Leidensmiene von Sebastian Kehl nach dem Schlusspfiff am Freitag ließ tief blicken. Mit stockender Stimme und ungewohnt langen Sprechpausen rang der Sportdirektor nach den rechten Worten, um den desolaten Auftritt zu erklären. «Das ist weit von unserem Anspruch entfernt. Es ist klar, dass uns das ein paar unruhige Wochen bescheren wird.» 

«Wir starten bei Minus»

Nicht minder deprimiert reagierte Fußball-Nationalspieler Julian Brandt auf die zweite bittere Auswärtsschlappe zur Unzeit. «Es tut sehr weh, wenn man vor der Winterpause verliert. Das ist extrem schweres Gepäck. Für mich Kategorie selbst schuld, komplettes Unvermögen.»   Auch Trainer Terzic machte aus seinem Frust keinen Hehl: «Man verzweifelt nicht, aber man ist halt sehr enttäuscht. Jetzt haben wir einen Rückstand, den wir gutmachen müssen. Wir starten nicht bei null, wir starten bei Minus.»

Von der Aufbruchstimmung im vergangenen Sommer, die mit der Rückkehr des bekennenden BVB-Fans Terzic auf die Cheftrainer-Position verbunden war, ist nach 15 Spieltagen mit mehr Schatten als Licht wenig geblieben. Schließlich steht das Team sechs Punkte schlechter da, als unter der Regie von Marco Rose zum gleichen Zeitpunkt der vorigen Saison und musste bereits sechs Niederlagen hinnehmen. 

Sportdirektor Kehl sieht großen Handlungsbedarf: «Die letzten beiden Spiele zu verlieren, das geht gar nicht. Wir werden das intern schonungslos analysieren. Es gibt einige Themen, an denen wir arbeiten müssen.»

Lange Mängelliste schürt Zweifel

Die lange Mängelliste schürt die Zweifel, ob die Mannschaft in dieser Saison über die nötige Qualität für einen der ersten vier Plätze verfügt. So offenbarte der BVB auch in Gladbach zum wiederholten Mal bedenkliche Abwehrprobleme und war mit den Gegentoren durch Jonas Hofmann (4.), Ramy Bensebaini (26.), Marcus Thuram (30.) und Kouadio Koné (46.) noch gut bedient. 

Dabei sollte gerade die Defensive mit dem Zukauf der beiden Nationalverteidiger Niklas Süle und Nico Schlotterbeck stabilisiert werden. «Da fehlt mir der Ansatz, das ist nicht zu erklären. Wenn wir so verteidigen, kann man nicht erfolgreich sein», klagte Kehl. Ähnlich ratlos wirkte Brandt: «Mehr einladen als wir heute, kannst du einen Gegner eigentlich nicht.» 

Doch auch die Bilanz im Angriff ist eines Titelaspiranten unwürdig. Der pfeilschnelle, aber weiterhin harmlose Donyell Malen zündet auch in seinem zweiten Dortmunder Jahr nicht. Zudem bleiben die Neuzugänge Karim Adeyemi und Anthony Modeste seit Wochen weit unterhalb des erwarteten Niveaus. Dass der BVB sowohl im Pokal als auch in der Champions League noch im Rennen ist, konnte den Frust über die wachsende Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit nur bedingt schmälern.  

Rückkehr von Verletzten macht Hoffnung

Das für Januar erwartete Comeback verletzter Profis wie Marco Reus, Mahmoud Dahoud, Thomas Meunier oder Jamie Bynoe-Gittens könnte helfen, die Defizite zu beheben. «Wir werden hoffentlich mit dem einen oder anderen Spieler, der zurückkommt, neue Optionen schaffen. Und dann müssen wir wieder angreifen», forderte Kehl. 

Bei aller Verärgerung über den missratenen Schlussspurt vor der Winterpause zweifelt Watzke nicht an der Schlagkraft der Mannschaft: «Ich bin total davon überzeugt, dass wir uns wieder für die Champions League qualifizieren. Diese Woche war sehr schlecht, aber es ist nur eine Momentaufnahme. Abgerechnet wird am 34. Spieltag.» 

Heinz Büse, dpa