Gianni Infantino bekam die «One Love»-Kapitänsbinde live und in Farbe präsentiert.
«Dann hat er mich auch auf die Binde angesprochen, ob das die Binde ist, dann habe ich ihm gesagt: «Und ist nicht so schlimm wie Sie denken, oder?»», berichtete Bundesinnenministerin Nancy Faeser in Berlin von ihrem Platzwechsel beim deutschen WM-Spiel im Katar am Vorabend im Chalifa-Stadion. In den sozialen Medien kursierte da schon ein Foto, das suggerierte, dass der FIFA-Präsident die von seinem Fußball-Weltverband verbotene Binde alles andere als schlimm fand.
Der Schweizer äußerte sich nicht zu dem Bild mit ihm lächelnd neben Faeser und auf die mehrfarbige Binde zeigend. Die FIFA hatte dem Deutschen Fußball-Bund und sechs weiteren europäischen Nationen das Tragen der Vielfalts-Binde auf dem Feld untersagt und mit strengen sportlichen Sanktionen gedroht. Selbst das Europaparlament verurteilte das in einer Resolution am Donnerstag. Zudem wurde bekräftigt, dass die Auffassung des Parlaments bestehen bleibe, dass Korruption innerhalb der FIFA weitverbreitet, systemisch und tief verwurzelt sei.
Entscheidung der FIFA ein «großer Fehler»
So weit wird Faeser im direkten Gespräch nicht gegangen sein. Bezogen auf die «One Love»-Binde habe sie Infantino gesagt, «dass ich die Entscheidung der FIFA als großen Fehler sehe», berichtete Faeser, die neben Infantino saß, nachdem ein Regierungsvertreter aus Katar nicht auf der Tribüne erschienen war. Es sei unglaublich, was für ein Druck auf die Fußballverbände der beteiligten Staaten ausgeübt worden sei, damit dieses Symbol für Vielfalt auf dem Spielfeld nicht getragen wird. Ein Sprecher des Innenministeriums teilte auf Anfrage mit, die Binde werde dem Haus der Geschichte überlassen. Zuerst hatte der «Spiegel» berichtet.
Die deutschen Nationalspieler hatten vor dem Anpfiff mit der Hand vor dem Mund für eine weltweit beachtete Geste gesorgt, die von der FIFA nicht sanktioniert wird – oder werden kann. Die Profis hätten auf ihre Art protestiert, «und ich habe meinen Protest ausgeübt, indem ich die «One Love»-Binde getragen habe», sagte die für den Spitzensport zuständige Ministerin.
Protest-Geste eine Idee der Spieler
Erdacht hatten die DFB-Geste die Spieler selbst, wie die Profis nach dem bitteren 1:2 gegen Japan äußerten. «Ich war am Abend vor dem Spiel noch im Mannschaftshotel und habe mit Manuel Neuer gesprochen. Er hat mich über die Aktion informiert, was sich die Spieler überlegt hatten. Ich habe zugeraten«, sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf im ARD-«Morgenmagazin». «Ich fand das eine sehr gute Aktion.» Die Mannschaft habe da noch einmal klar zum Ausdruck gebracht, dass der Versuch des Weltverbands FIFA, den DFB mit dem Verbot zum Schweigen zu bringen, nur bedingt funktioniere.
Frankreichs Sportministerin Amélie Oudéa-Castéra ermunterte ihre Mannschaft, ähnliche Freiräume zu nutzen. «Ich glaube, dass die Entscheidung der FIFA, die «One Love»-Binde zu verbieten, noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht hat», sagte die Ministerin dem Sender Public Sénat. «Die Deutschen machen es vor. Ich denke, das Ganze wird weiter auf Hochtouren laufen.»
Belgiens Eden Hazard kritisiert deutsche Mannschaft
Nur positiv wurde die Geste aber auch nicht aufgenommen. «Es wäre besser gewesen, wenn sie es nicht getan und gewonnen hätten», sagte Belgiens Kapitän Eden Hazard. «Wir sind hier, um Fußball zu spielen, ich bin nicht hier, um eine politische Botschaft zu verbreiten, dafür sind andere Leute besser geeignet. Wir wollen uns auf den Fußball konzentrieren.» Der walisische Verband kündigte an, dass für das Spiel gegen den Iran keine Protestgeste geplant sei. Auch das niederländische Team werde sich nicht anschließen, sagte Bondcoachs Louis van Gaal vor dem Spiel gegen Ecuador.
DFB-Vizepräsident Steffen Schneekloth verteidigte derweil die DFB-Entscheidung, das FIFA-Verbot zu befolgen. «Verbandspolitische Sachverhalte und Auseinandersetzungen dürfen nicht auf dem Rücken der Sportler ausgetragen werden», sagte der Präsident des Zweitligisten Holstein Kiel den «Kieler Nachrichten». «Für jeden Fußballer, der an einer WM teilnimmt, ist es vermutlich das größte sportliche Ereignis seiner Karriere. Das gilt es, zu respektieren.»
Die Ankündigung der FIFA, Sanktionen auszusprechen, mute jedoch «willkürlich, gutsherrenartig und intransparent an, wie scheinbar viele Vorgänge innerhalb der FIFA», sagte der Rechtsanwalt. An der verfahrenen Situation sieht Schneekloth eine Mitschuld beim DFB und den anderen westeuropäischen Verbänden. «Ich denke, dass das Problem bereits im Vorfeld nicht vollumfänglich erkannt worden ist und es somit von den Fußballverbänden vielleicht naiv war zu glauben, dass die FIFA auf die Ankündigung, die «One Love»-Binde zu tragen, nicht reagieren werde.»