Fall Gersbeck: Herthas schwere Suche nach dem ruhigen Weg

Ausgerechnet Marius Gersbeck. Fan-Liebling und Kapitänskandidat. Die Saisonvorbereitung läuft für Hertha BSC durch den nächtlichen Zwischenfall im Trainingslager in Zell am See nicht nach Plan.

Bei Berlins Fußball-Zweitligisten sorgt der durch Österreichs Polizei gegen den Torwart geäußerte Verdacht der Körperverletzung eines 22-Jährigen auf mehreren Ebenen für Komplikationen. Wie geht es weiter nach der vorläufigen Suspendierung Gersbecks (28) durch die Hertha-Führung?

Die sportlichen Aspekte

Chefcoach Pal Dardai wird sich mit Torwart-Trainer Andreas Menger besprechen. Sechs Torhüter hatten die Berliner beim Trainingsauftakt. Gersbeck ist erstmal aussortiert. Alexander Schwolow (31) soll nach seiner Leihe zu Schalke 04 den Verein endgültig verlassen, daran ändert sich nichts. Auch Oliver Christensen (24) ist ein Verkaufskandidat, weil die Hertha Geld braucht. Gut möglich, dass er nun bleiben muss. Denn sonst ist da nur noch Tjark Ernst (20). Ihm traut Dardai die Rolle als Nummer eins zwar zu, aber ohne ein erfahrenes Backup wäre das Risiko groß. Robert Gwasigroch (19) und Tim Goller (18) sind nur für die U23 in der Regionalliga eingeplant. 

Die moralischen Aspekte

Rot glänzte die Kapitänsbinde zuletzt an Gersbecks Arm. Die Berliner holten ihren Jugendspieler per Option vom Karlsruher SC zurück. Er passte als ehemaliger Kurvengänger perfekt zum proklamierten Hertha-Weg. Die Parallelen zur Biografie von Präsident Kay Bernstein waren ein Schmankerl, auch wenn die Bande zwischen Club-Chef und Torwart wohl nicht so eng waren, wie zuletzt medial stilisiert. Man kennt sich halt von früher aus der Ostkurve. 

Dass einer der Ihren sich nun womöglich einen schlimmen Fehltritt leistete, beschädigt die Hertha-Strategie umso mehr. Fast schon tragikomisch klingt Gersbecks Angebot aus einer Medienrunde wenige Stunden vor den nächtlichen Ereignissen in Zell am See. Er könne, sollte es zwischen Fans und Verein mal zu einer Konfrontation kommen, «leicht vermitteln».

Die juristischen und ökonomischen Aspekte

Die gerade gezahlten 300.000 Euro Transfersumme für Gersbeck kann Hertha vielleicht noch verschmerzen. Doch die drohenden wirtschaftlichen Konsequenzen des Skandals sind für den hoch verschuldeten Club nicht zu unterschätzen. Sollte Torwart Christensen nun nicht wie geplant verkauft werden können, entgeht der Hertha möglicherweise ein Millionen-Betrag. Zudem stünde der Däne weiter auf der Gehaltsliste.

Nicht zu vernachlässigen ist von Club-Seite, dass auch andere juristische Fälle anhängig sind. Ex-Torhüter Rune Jarstein klagt gegen eine fristlose Kündigung, die wegen einer Beleidigung von Menger ausgesprochen wurde. In der Auseinandersetzung mit Fredi Bobic geht es sogar um Millionen. Dem Ex-Geschäftsführer wird auch zur Last gelegt, dass er einem Reporter – mehr oder weniger scherzhaft – eine Ohrfeige androhte. Die Vorwürfe gegen Gersbeck durch Österreichs Polizei wiegen noch schwerer.