Finale für Spanien: «Auf Leben und Tod» gegen die Slowakei

Luis Enrique scherzte erst noch, schaute dann kurz in sein rotes Heftchen, ehe er unweigerlich die heikle Frage nach seiner Zukunft bei einem EM-Knockout vor der K.o.-Phase beantworten musste.

«Es macht mich stolz, diesen Job für das Land zu machen», sagte Enrique und betonte: «Ich würde liebend gern weitermachen. Ich habe einen Vertrag und ich habe nicht die Absicht, ihn nicht zu erfüllen.» Der 51 Jahre alte ehemalige Profi und Coach unter anderem des FC Barcelona stellte aber auch klar: «Trainer werden nach Ergebnissen beurteilt.»

Und die sind nicht überzeugend. Fans sind schon vergrault, das Aus droht den Spaniern bei der Fußball-EM. «Wir müssen jetzt gut spielen und jetzt gewinnen, damit wir die Fans wieder begeistern», sagte Kapitän Sergio Busquets vor der Partie am Mittwoch (18.00 Uhr/ZDF und Magenta TV) in Sevilla. «Es ist eine Partie auf Leben und Tod», hatte Abwehrspieler César Azpilicueta mit sehr drastischen Worten zuvor die Bedeutung der Partie klargemacht: «Nur ein Sieg zählt für uns.»

Selbstbewusste Slowaken

Das gilt auch für die Slowaken um Herthas Abwehrroutinier Peter Pekarík und Kölns Ondrej Duda. «Ich denke, dass wir zwei gute Spiele hinter uns haben – und das wollen wir fortsetzen», sagte Duda: «Wir wollen es ihnen so schwierig wie möglich machen.»

Spielen sie remis, ist die Slowakei mit vier Punkten sicher weiter, egal wie Polen und Schweden zeitgleich im über 3500 Kilometer Luftlinie entfernten St. Petersburg spielen. Die Skandinavier sind eh schon durch. Die Polen sind mit einem Punkt als Letzter der Gruppe E nach Russland gereist. «In unserer Gruppe wird es viel Drama geben», prophezeite der slowakische Verteidiger Tomas Hubocan.

Schweden ist schon durch. Die Polen sind mit einem Punkt als Letzter der Gruppe E nach Russland gereist. «In unserer Gruppe wird es viel Drama geben», prophezeite der slowakische Verteidiger Tomas Hubocan. Und dabei könnte es den klaren Gruppenfavoriten und Mitanwärter auf den Titel erwischen. «Eine düstere Atmosphäre herrscht über der EM-Tour der Selección», befand «El Pais».

Stolze Spanier

Der einstmals in Spanien bei Real Madrid und Betis Sevilla kickende Rafael van der Vaart sprach ein recht vernichtendes Urteil. «Ich finde es schrecklich. Spanien, Jesus…» Da stecke eigentlich nichts drin. «Es ist ein bisschen herumspielen, aber es ist niemand da, der den entscheidenden Pass geben will oder kann. Einfach enttäuschend.»

Der Konter der stolzen Spanier blieb nicht aus. Da fehlt der Respekt», sagte Marcos Llorente vom Meister Atlético Madrid der «Marca»: «Als Kind haben mir meine Eltern beigebracht, Respekt vor anderen zu haben.» Und Koke meinte in einem Interview des Senders «Cope»: «Van der Vaart will seinen Moment des Ruhms haben und den hat er bekommen.» Wieviel Ruhm die aktuelle spanische Mannschaft noch einheimsen kann bei dieser EM, wird sich zeigen. Die Nullnummer gegen Schweden, das 1:1 mit verschossenem Elfmeter gegen Polen. «Wir hätten mehr verdient», meinte Llorente.

Spaniens Hoffnungen ruhen auf Busquets-Rückkehr

An der «Furia Roja» war bisher aber wenig bis nichts furios. Vom Heimvorteil im Spontan-Ersatzort für Bilbao war nichts zu spüren, aus dem vermeintlichen Hitzevorteil konnte das Team auch nichts machen.

Nach den beiden späten Abendspielen geht es nun noch drei Stunden eher los, Temperaturen Mitte der 30 Grad und knalliger Sonnschein sind vorhergesagt. «Das kann eine große negative Überraschung für die Slowaken werden. Es wird vielleicht die Hölle», befürchtet der ehemalige Nationalspieler und Bundesligaprofi Miroslav Karhan. Der aktuelle Kapitän Marek Hamsik machte aber schon mal deutlich, dass die Slowaken genau wissen, wie sie die Spanier packen können: «Wir haben bei Schweden und Polen gesehen, wie man gegen sie spielen muss.»

Riesige Hoffnungen setzen die Spanier auch in Sergio Busquets, der 32 Jahre alte Kapitän wird nach seiner Corona-Infektion wieder in die Startelf rücken. Mit weiteren Veränderungen wird gerechnet, auch der ehemalige Bayern-Profi Thiago hofft auf seinen ersten Startelfeinsatz bei dieser EM.

Gleich fünf verschiedene Startelfvarianten schlug «Marca» Nationalcoach Luis Enrique vor, der aus der Anfangsformation wieder ein großes Rätsel machen dürfte und ansonsten an seinem Mantra festhält, immer nur das Positive öffentlich sehen, bewerten und hervorheben zu wollen. Es wird aber Zeit, dass sein Mannschaft davon deutlich mehr zeigt, sonst könnte diese EM-Mission auch mit einer schweren Trainerkrise frühzeitig enden.

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

SPANIEN: 23 Simon – 2 Azpilicueta, 4 Pau Torres, 24 Laporte, 18 Jordi Alba – 5 Marcos Llorente, 5 Busquets, 10 Thiago – 21 Oyarzabal, 9 Gerard Moreno, 7 Morata

SLOWAKEI: 1 Dubravka – 2 Pekarik, 5 Satka, 14 Skriniar, 15 Hubocan – 19 Kucka, 25 Hromada – 18 Haraslin, 7 Weiss, 17 Hamsik – 8 Duda

Schiedsrichter: Björn Kuipers (Niederlande)

Von Jens Marx und Holger Schmidt, dpa