Flicks WM-Versäumnisse: Vom Oman bis nach Al-Chaur

Hansi Flick ist der erste Bundestrainer, der bei seiner Turnier-Premiere nach der WM-Gruppenphase schon wieder nach Hause muss. Der 57-Jährige hat die von ihm vorgegebene «All-in-Mentalität» bei der WM nicht umsetzen können.

Nach der Abreise aus Katar bleiben viele Fragen offen. Welche Fehler wurden gemacht, welche waren vermeidbar? Flick wird sich in der kommenden Woche gegenüber DFB-Präsident Bernd Neuendorf erklären müssen. 

Die Vorbereitung:

Kein richtiges Trainingslager, kein intensives Einschwören auf das große Ziel. Das Wehklagen über die kurze Vorbereitung war auch bei Flick groß. Was machte der Bundestrainer? Er fuhr die Systeme eine Woche vor dem ersten Turnierspiel total runter. Ausspannen, Kraft schöpfen, sogar noch nach der Ankunft in Katar, statt im Bundesliga-Saft zu bleiben und mit Vollgas durchzustarten. «Nochmal runter von den Füßen, keine große Belastung, einfach nochmal runterfahren. Das sind die Dinge, die wir so geplant haben. Und ich denke, das ist die richtige Entscheidung», sagte Flick. War es nicht. Wichtige Zeit zum Einspielen auf dem höchsten Turnier-Level wurde dadurch verschenkt.

Der Oman-Test:

Der maue Kick in Maskat war Blaupause der vergebenen Chance, den WM-Drive hinzubekommen. Flick gönnte Stammspielern in Top-Form wie Jamal Musiala und Serge Gnabry, die in München im Baller-Modus waren, eine Pause. Zur Halbzeit wurde im Sultan Kabus Stadion ordentlich durchgewechselt. Belastungssteuerung statt Turnier-Rhythmus. Das war ein falsches Signal nach innen wie nach außen. Heraus kam ein 1:0-Gewürge gegen einen Gegner weit weg von WM-Niveau. Mit bestem Personal und anderer Einstellung wäre ein Schützenfest drin gewesen als Zündfunke für die WM-Ziele. 

Die Japan-Wechsel:

Gegen Japan lief vieles gut. Auch wenn sich daran nach dem 1:2 kaum jemand erinnert. Was schiefging, waren taktische Manöver von Flick. Den überzeugenden Ilkay Gündogan nahm er unnötig heraus. Unbedingt wollte er Leon Goretzka mit einer Einwechslung ins Turnier bringen. Auch Thomas Müller musste raus, als seine Routine Stabilität hätte bringen können. Damit brach Flick den Rhythmus im deutschen Spiel. «Im Nachhinein muss man sagen, auch wenn über  70 Minuten vieles positiv war, war es am Ende, wenn man ins Detail geht, nicht das, was wir uns vorgestellt haben», analysierte Flick. 

Das zentrale Trio:

Gündogan, Goretzka, Joshua Kimmich. Drei zentrale Spieler mit großen Qualitäten und Ansprüchen. Doch als Trio auf dem Platz funktionierten die DFB-Alphatiere nur mit einem sehr speziellen Auftrag gegen Spanien. Schon beim Test in Oman war sichtbar, dass Goretzka und Gündogan nebeneinander nicht harmonierten. Doch Flick bastelte sich eine Taktik, die allen Drei einen Platz in der Startelf geben sollte. Er vermied es, einen Führungsspieler zu verprellen. Dieses Schonprinzip gipfelte in der Versetzung von Kimmich nach rechts hinten gegen Costa Rica, obwohl er diesen kurz zuvor als Welt-Maßstab im Zentrum bezeichnet hatte. 

Alibis:

Ein großer Redner war Flick noch nie. Seine Pressekonferenz vor dem Spanien-Spiel hinterließ aber einen schlechten Eindruck. Mit seiner Rechtfertigung des bewussten Regelverstoßes gegen die FIFA-Regularien brüskierte er die Weltpresse – und gab seinen Spielern ein Alibi. Keinem seiner Fußball-Profis sei 30 Stunden vor dem Spiel eine gut zweistündige Fahrt im klimatisierten Bus zur internationalen Pressekonferenz «zuzumuten». Die Situation in Katar sei schwierig, «wie so vieles» hier, klagte Flick. Wenn der Trainer jammert, haben die Spieler gute Ausreden. 

Thomas Müller:

So «gut vorbereitet wie nie» sei der Münchner WM-Veteran, meinte Flick bei der Nominierung in Frankfurt, trotz der wochenlangen Pause beim FC Bayern mit multiplen Wehwehchen. Gut eine Woche später stieg der 33-Jährige mit der Ankunft im Teamquartier in Katar wieder ins Training ein. Eine WM-Punktlandung, so die Hoffnung. Doch der Rio-Champion war weit von seiner Bestform entfernt. Wie in Russland kein Tor und ziemlich mäßige Auftritte gegen Japan und Spanien. Flick hielt an Müller fest. Ein Fehler wie sich gegen Costa Rica zeigte. Torgefahr? Fehlanzeige. Sinnbild war die vergebene Großchance per Flugkopfball. Die Müller-Zeit im DFB-Trikot ist vorbei. Das hätte Flick erkennen müssen.

Niclas Füllkrug:

Dieser Typ kam richtig gut an in der Heimat. Der Bremer Stürmer verkörpert genau das, was die Fans im DFB-Team schon lange vermissen. Locker, bodenständig – und treffsicher. Spätestens nach dem Spanien-Tor hätte Flick auf das «Momentum» seines Super-Jokers setzen müssen. Er sprach ja selbst davon. «Ich denke, dass er mit seiner Entschlossenheit gezeigt hat, wie man Tore schießt. Das zeichnet ihn aus», sagte Flick. Und setzte ihn gegen Costa Rica – als nichts so sehr gebraucht wurde wie Tore – wieder auf die Bank. Als Füllkrug kam und wieder traf, reichte die Zeit nicht mehr für eine WM-Rettung. 

Arne Richter und Klaus Bergmann, dpa