«Frau Popp» bricht den ersten WM-Bann für die DFB-Frauen

Alexandra Popp atmete erst einmal tief durch. Die Heldin des perfekten Auftaktabends der deutschen Fußballerinnen bei der WM wurde nach ihrem «E.T.»-Telefontorjubel befragt, und die DFB-Kapitänin antwortete emotional: «Ich glaube, derjenige, der abgenommen hat, ist mein Vater.»

Die zweifache Torschützin beim 6:0 (2:0) gegen Marokko am Montag in Melbourne erklärte, sie «telefoniere in dem Sinne auch nach Hause. Nicht nur für die Menschen, die vor den Fernsehern sitzen, sondern gerade für die Menschen, die nicht mehr unter uns sein können.»

Die Gründe für ihre Sentimentalität, sagte Popp spät am Abend (Ortszeit) während der Pressekonferenz, «die muss ich ja nicht sagen». Offensichtlich war aber, dass sie an diesem Abend an ihren gestorbenen Vater dachte. Vor 27 256 Zuschauern im nicht ausverkauften Stadion im Albert Park war die Stürmerin mit den ersten beiden deutschen Toren beim Turnier in Australien und Neuseeland die überragende Spielerin gewesen (11. und 39. Minute).

Standing Ovations für Popp

Zweimal zeigte die 32-jährige Wolfsburgerin dabei strahlend ihre von der EM 2022 in England bekannte Jubelgeste in Anspielung an den Filmklassiker über den Außerirdischen «.E.T.», der auf der Erde gestrandet, «nach Hause telefonieren» wollte: die linke Hand als imaginäres Telefon, den rechten Zeigefinger gen Himmel gestreckt. Bei ihrer späten Auswechslung (83.) jubelten die deutschen Fans im Stadion.

Nach dem Spiel war die Kapitänin eingepackt in eine dicke Jacke sofort wieder mittendrin, sie umarmte lächelnd ihre Teamkolleginnen. Die aufgekommenen Zweifel an der Auswahl von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg auf dem Weg zum erhofften dritten WM-Titel nach 2003 und 2007 waren nach dem Triumph gegen den WM-Debütanten erst einmal weggewischt.

«Wir wissen, dass noch nicht alles tippitoppi war», sagte Voss-Tecklenburg. «Ob das jetzt ein Statement war, sollen die anderen beurteilen und einordnen. Wir können das aber einordnen, wir drehen jetzt nicht durch.» Nach Popp trafen noch Klara Bühl (46.) und Lea Schüller (90.) vom FC Bayern für die DFB-Auswahl sowie Hanane Aït El Haj (54.) und Zineb Redouani (79.) ins eigene Tor. Der nächste Gegner Kolumbien am kommenden Sonntag in Sydney könnte aber eine wesentlich härtere Prüfung darstellen für die Vize-Europameisterinnen.

Glücksstart trotz Umstellungen

«Wir sind mega, mega happy, dass wir so ein Auftaktspiel auf den Platz bringen konnten», sagte Popp im ZDF. «Wir sind voll bei uns geblieben, haben unser Spiel durchgebracht.» Dabei hatte Voss-Tecklenburg ihre Defensive verletzungsbedingt umbauen müssen: Abwehrchefin Marina Hegering (Fersenprellung) und Mittelfeld-Abräumerin Lena Oberdorf (Oberschenkelblessur) saßen ebenso nur auf der Bank wie Sjoeke Nüsken (Außenbanddehnung im Knie).

«Wir wissen natürlich um Poppis Stärke gerade im Kopfballspiel. Sie hat eigentlich genau das gemacht, was wir von ihr erwartet haben», sagte Oberdorf über ihre Clubkollegin und fügte trocken hinzu: «Von daher war es eine solide Leistung von der Frau Popp.»

Die Angreiferin war bei der EM im vergangenen Jahr in England mit sechs Treffern zum Turnierstar aufgestiegen und schraubte ihre Bilanz nun auf 64 Tore im 129. Länderspiel. Zu den etwa 2000 deutschen Fans im Stadion gehörte auch Sami Khedira. Der Weltmeister von 2014 sah, wie Popps Doppelpack der DFB-Elf viel Sicherheit gab. Nach den enttäuschenden Testspiel-Auftritten gegen Vietnam und Sambia war so manche Kritik aufgekommen.

Glückwünsche von Faeser

Schon bei der Nationalhymne hatte Popp glänzende Augen. Am Ende saß sie als «Spielerin des Spiels» bei der Pressekonferenz und durfte sich die Lobesworte ihrer Trainerin anhören: «Alexandra Popp ist ein Leader, eine Spielführerin, wie man sie sich nicht besser wünschen kann. Aber sie ist gleichzeitig ein Teamplayer», sagte Voss-Tecklenburg. Aus der Heimat gratulierten Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Außenministerin Annalena Baerbock. «So kann es weitergehen!», schrieb Faeser bei Twitter.

Die Art und Weise des Auftretens ihrer Kolleginnen, «auch wie wir die Tore heraus gespielt haben, gibt sehr viel Selbstbewusstsein für die nächsten Spiele», sagte Popp und betonte: «Ich habe mir jetzt keine Zahl vorgenommen, wie viel Tore ich schießen will. Ich will ins Finale kommen und das auch bestmöglich spielen – und gewinnen am Ende.»

Von Ulrike John und Jan Mies, dpa