Freiburg legt Einspruch ein: Redebedarf beim DFB

Der heiß diskutierte Wechselfehler beim Sieg des FC Bayern München beim SC Freiburg dürfte am Montag auch bei einem Trainings-Lehrgang für die Bundesliga-Schiedsrichter ein großes Thema gewesen sein.

Der Zeitpunkt für den schon lange zuvor anberaumten Schulungstermin in Potsdam hätte kaum passender sein können, denn DFB-Schiedsrichterchef Lutz Michael Fröhlich sieht nach dem bisher einmaligen Vorfall einigen Redebedarf. Die Deutsche Presse-Agentur beantwortet die wichtigsten Fragen dazu.

Müssen die Bayern Konsequenzen fürchten?

Ja. Der SC Freiburg legte offiziell Einspruch gegen die Wertung des am vergangenen Samstag mit 1:4 verlorenen Spiels ein. Damit könnte der Bundesliga-Spitzenreiter die drei Punkte am Grünen Tisch verlieren.

Welche Aussicht auf Erfolg hat der Einspruch?

Der Ball liegt jetzt beim Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes. Fakt ist: Es liegt ein Regelverstoß vor, der allerdings keine Auswirkung auf den Ausgang des Spiels hatte. Die Freiburger begründen den Einspruch damit, dass die Bayern in der Schlussphase knapp 20 Sekunden lang mit zwölf Spielern auf dem Platz waren und damit ein zu diesem Zeitpunkt nicht spiel- oder einsatzberechtigter Spieler mitgewirkt habe.

Welche Motive verfolgt Freiburg?

Die Breisgauer wollen eine sportrechtliche Bewertung des Präzedenzfalls und damit auch für andere Club künftig Rechtssicherheit in vergleichbaren Fällen schaffen. Zudem geht es dem Verein auch um die Wahrnehmung wirtschaftlicher und sportlicher Interessen. Immerhin kämpft der Tabellenfünfte um eine Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb, die viel Geld einbringen würde.

Gibt es eine Sperre für Referee Christian Dingert?

Wahrscheinlich wird der Vorfall keine Konsequenzen für den 41 Jahre alten Unparteiischen haben. «Ich fände es fatal als Botschaft», sagte DFB-Schiedsrichterchef Fröhlich zu einer möglichen Strafe für Dingert. Immerhin räumte Fröhlich eine Teilschuld des FIFA-Referees ein: «Im Prozessablauf gab es schon Fehler, die auf der Schiedsrichterseite gelegen haben.» Noch deutlicher wurde Schiedsrichter-Beobachter Knut Kircher. «Das ist ein Fauxpas des Schiedsrichterteams, der so nicht passieren darf, wenn man die Spielleitung bis zum Ende konzentriert durchbringen will», sagte der frühere Spitzenreferee bei «SWR Sport».

Hat der Schiedsrichter noch andere Fehler gemacht?

Ja. Dingert hätte den zwölften Bayern-Spieler auf dem Feld – Kingsley Coman – verwarnen und die unterbrochene Partie mit einem indirekten Freistoß für Freiburg fortführen müssen. Stattdessen gab es Schiedsrichterball und kein Gelb. Beides sei aber «nicht erheblich» gewesen, sagte Fröhlich. Der 42 Jahre alte Dingert ist schon seit 2002 DFB-Schiedsrichter. Seit 2010 leitet der Diplom-Verwaltungswirt aus Lebecksmühle Bundesligapartien, seit 2013 auch Spiele des Weltverbands FIFA.

Gab es schon ähnliche Fälle?

Eine folgenreiche Wechselpanne leistete sich in dieser Saison der VfL Wolfsburg im Erstrundenspiel des DFB-Pokals bei Preußen Münster. Kurios: Auch da war Dingert beteiligt. Der Bundesligist hatte insgesamt sechs Auswechslungen vorgenommen – erlaubt waren nur fünf. Dingert und seinem Team war dies nicht aufgefallen. Münster erhob erfolgreich Einspruch gegen die Wertung der mit 1:3 verlorenen Partie, Wolfsburg flog am Grünen Tisch aus dem Wettbewerb.

Zieht der DFB Konsequenzen für die Schiedsrichter-Ausbildung?

Eigentlich ist das nicht nötig. Hätten Dingert, seine Assistenten oder der Vierte Offizielle vor der Spielfortsetzung noch einmal durchgezählt – so wie es Freiburgs Verteidiger Nico Schlotterbeck kurz darauf tat -, wäre der Fehler leicht zu vermeiden gewesen. «Das ist einfache Mathematik», sagte Kircher. Deshalb will der Verband die Unparteiischen noch einmal nachdrücklich zu erhöhter Wachsamkeit auffordern. «Es hat etwas mit Konzentration und mit Übersicht zu tun. Darüber müssen wir mit den Schiedsrichtern intern noch mal sprechen», kündigte Fröhlich an.

Wird die seit Corona geltende Regelung überdacht, dass die Teambetreuer die Auswechseltafeln bedienen?

Eine Rückkehr zum vor der Pandemie jahrelang bewährten Ablauf, bei dem der Vierte Offizielle die Auswechseltafeln bediente, ist in der kommenden Saison denkbar. Zum einen läge das Prozedere wieder in einer Hand, zum anderen hat auch die Politik bereits etliche Corona-Regeln aufgehoben. «Wenn sich das Ganze mit der Pandemie gelegt hat, sollte man darüber nachdenken, dass man das in einer Hand lässt und wieder so macht wie früher», sagte Fröhlich.

Wird die Grauzone im Regelwerk geschlossen?

Mit dieser Frage muss sich der Verband beschäftigen. In 59 Jahren Bundesliga-Geschichte ist dies offenkundig ein Präzedenzfall. In dieser Saison wird sich am Status quo aber definitiv nichts ändern. Fröhlich kündigte an: «Da ist ein Fehler passiert. Das muss man in Ruhe aufarbeiten.»

Von Eric Dobias, Ulrike John und Maximilan Wendl, dpa