Früher gemobbt, jetzt Weltmeisterin: Köhlers Schwimm-Triumph

Als frisch gekürte Weltmeisterin gönnte sich Angelina Köhler eine besondere kulinarische Belohnung mit ihrem besten Freund. «Erstmal war ich heute mit Ole brunchen. Wir haben Donuts gegessen. Das war mir total wichtig», sagte Köhler lächelnd nach dem Ausflug mit Schwimm-Kollege Ole Braunschweig.

Bis spät in die Nacht hatte sie zuvor Glückwunsch-Nachrichten beantwortet. Auch ihre Eltern besuchten sie noch im Hotel. Als erste deutsche Beckenschwimmerin seit Britta Steffen 2009 hatte Köhler am Montag WM-Gold gewonnen. «Ich kann das alles noch nicht so ganz verarbeiten, was da passiert ist», sagte Köhler. «Aber ich freue mich einfach riesig.» Bei aller Freude sprach die 23-Jährige aber auch über ein ernstes Thema.

Als Teenagerin gemobbt

«Ich bin einfach schon ein bisschen anders als alle anderen. Ich hatte als Teenagerin schon ein bisschen Probleme damit. Ich hatte auch ziemlich Probleme damit, dass ich gemobbt wurde», sagte sie. «Wenn man ziemlich groß ist, ziemlich dünn, lange Arme hat und etwas größere Zähne, dann noch eine Brille trägt und über die eigenen Füße fällt, ist es ziemlich einfach für ältere Jungs, sich über einen lustig zu machen. Aber es hat mich vor allem gestärkt bei den Sachen, die ich mache.»

Sportlich schwamm sich Köhler erst bei dieser WM ins ganz große Rampenlicht. Hinter den Kulissen und in den Katakomben der Schwimmhallen dieser Welt fiel die extrovertierte Sportlerin schon vorher auf – als außerordentlich aktive, fast immer gut gelaunte und auskunftsfreudige Sportlerin. Köhler verstellt sich nicht. Vielleicht kann sie das auch gar nicht. Während sich andere Athletinnen und Athleten geprägt durch Medientraining und Management genau überlegen, was sie sagen, spricht Köhler frei heraus und auch eigene Schwächen an.

«Das bedeutet so viel für mich, dass auch jemand wie ich, der manchmal ein bisschen tollpatschig ist und auch mal irgendwelche Sachen vergisst, Weltmeisterin werden kann», sagte sie nach ihrem Triumph über 100 Meter Schmetterling. Köhler weiß: In ihrer eingespielten Trainingsgruppe in Berlin darf sie sein, wie sie ist.

Köhler füllt die Mannschaftskasse

«Ihre Tollpatschigkeit wird mit einem Lächeln akzeptiert», sagte ihr Trainer Lasse Frank. «Wir wissen, zu was sie fähig ist. Wenn sie mal etwas liegenlässt, dann ist die Trainingsgruppe da und schleppt’s ihr hinterher.» Mit einem Lächeln ergänzte der 41-Jährige: «Dann gibt’s ’nen Euro in die Mannschaftskasse – die ist schon reichlich gefüllt durch sie.» Köhlers Rolle im Team beschreibt Frank so: «Sie ist unser Regenbogen. Sie ist die Sonne. Wenn sie in die Halle kommt, ist sie entweder zu spät und läuft. Oder sie kommt strahlend rein mit ihren Regenbogensocken im Wanderschritt und begrüßt alle herzlich.»

Neben dem Trainer hat auch Rückenschwimmer Braunschweig für Köhler eine große Bedeutung – nicht nur als Partner beim Donut-Essen. Nach der vergangenen WM in Fukuoka gingen die beiden gemeinsam auf Japan-Reise. «Es ist immer gut, seinen Best Buddy dabei zu haben», sagte Frank. «Die beiden sind ein Herz und eine Seele.» Selbst nach ihrem Gold-Rennen blieb Köhler noch stehen und schaute direkt, was Braunschweig bei seinem nächsten Auftritt machte.

Einstimmung mit Taylor Swift

Unmittelbar vor ihren Wettkämpfen ist Köhler dagegen in ihrer eigenen Welt. Zu Taylor Swifts «Cruel Summer» flippt sie regelmäßig im Warteraum aus und stimmt sich so auf Höchstleistungen ein. Dass im sogenannten «Call Room» auch eine Kamera hängt, hält sie nicht davon ab. «Ich glaube, die Leute im Call Room denken schon, ich bin bescheuert», sagte sie und lachte.

Aus Sicht ihres Trainers wird Köhlers Leistung vom Montag auch nicht dadurch geschmälert, dass einige starke Konkurrentinnen wegen der Olympischen Spiele im kommenden Sommer fehlten. «Sie ist hier angetreten gegen die besten der Welt. Wer nicht da ist, der kann nichts gewinnen. Das ist einfach so», sagte er. «Sie ist jetzt in der Weltspitze angekommen.» Köhlers Zeiten geben ihm recht. Ihr deutscher Rekord von 56,11 Sekunden aus dem Halbfinale war eine Hundertstelsekunde schneller als die Siegerzeit der Chinesin Zhang Yufei der vergangenen WM. Yufei war diesmal nicht dabei.

Mit Köhler freute sich auch Britta Steffen. Die 40-Jährige hatte das Rennen am Bildschirm gemeinsam mit ihrem sechsjährigen Sohn verfolgt. «Und als Angelina dann Weltmeisterin geworden ist über die 100 Meter Schmetterling haben wir uns tierisch gefreut. Ganz große Leistung – tolles Rennen, starkes Rennen», sagte Steffen dem ARD-Hörfunk und gratulierte herzlich.

Von Thomas Eßer und Gerald Fritsche, dpa