Jacques Rogge trat das Präsidentenamt im Internationalen Olympischen Komitee 2001 mit dem Ruf eines Erneuerers und Reformers an.
Das Programm des Belgiers war couragiert und mutig. Er sagte der Korruption ebenso den Kampf an wie dem Doping und dem Gigantismus der Olympischen Spiele. Dem am 2. Mai 1942 in Gent geborene Chirurgen und Orthopäden gelang in der zwölfjährigen Amtszeit aber nicht jeder notwendige Schnitt, um den Zustand des IOC zu verbessern. Wie das IOC am Sonntag mitteilte, ist Rogge nun im Alter von 79 Jahren gestorben.
«Er war ein vollendeter Präsident, der dazu beitrug, das IOC zu modernisieren und umzugestalten. Besonders in Erinnerung bleiben wird er als Verfechter des Jugendsports und als Initiator der Olympischen Jugendspiele», sagte IOC-Präsident Thomas Bach, der 2013 sein Nachfolger wurde. «Er war auch ein glühender Verfechter des sauberen Sports und kämpfte unermüdlich gegen die Übel des Dopings.» In erster Linie habe Rogge aber den Sport und das Zusammensein mit Athleten geliebt. «Seine Freude am Sport war ansteckend», sagte Bach.
Rogge, ein ehemaliger Rugbyspieler und dreimaliger Olympia-Teilnehmer im Segeln, übernahm das IOC in einer der schwersten Krisen. 1999 war publik geworden, dass mehrere IOC-Mitglieder bestochen wurden, um für die Vergabe der Winterspiele 2002 an Salt Lake City zu stimmen. Eine große Last, die er wie Gigantismus und Kostenexplosion der Spiele von Vorgänger Juan Antonio Samaranch geerbt hatte – und gegen die er wie ein Mediziner vorgehen wollte. «Man muss die Beule aufschneiden, den Eiter ausfließen und die Wunde austrocknen lassen», sagte Rogge.
Zumindest einigermaßen gelungen ist ihm dies mit der Reform des Vergabeprozesses, zu der auch das Verbot für IOC-Mitglieder gehörte, Olympia-Bewerber zu besuchen. Schließlich hatten zehn Mitglieder ihr IOC-Amt verloren, weil sie von den Organisatoren der Spiele in Salt Lake City Geld und Geschenke angenommen hatten.
Besonders in den ersten Jahren seiner Präsidentschaft hat Rogge das durch den Korruptionsskandal stark angekratzte Image der obersten Weltorganisation des Sports aufpoliert. Dazu gehörte auch eine Verschärfung des Kampfes gegen Doping, jedoch ohne den Sportbetrug in den Grundfesten erschüttern zu können, wie nicht zuletzt der Skandal um Russlands staatlich organisierte Manipulationen bei den Spielen 2014 in Sotschi zeigte. Dennoch verschaffte Rogge dem IOC mehr Anerkennung – und den Beobachterstatus bei der UN.
«Er war absolut die richtige Person zur richtigen Zeit», sagte sein einst einflussreicher norwegische Wegbegleiter im IOC, Gerhard Heiberg, zum Abschied von Rogge. Der achte IOC-Präsident machte nicht alles richtig und schaffte nicht alles, was er sich vorgenommen hatte.
Dazu gehörte die Reform der finanziell aus dem Ruder gelaufenen und überdimensionierten Olympischen Spiele. Rogge gelang es zwar, die Teilnehmerzahl auf rund 10 000 Athleten zu limitieren, nicht aber das olympische Programm zu modernisieren und die exorbitanten Investitionen für den Bau neuer Sportstätten in den gewählten Olympia-Städten auf ein vernünftiges Maß zu begrenzen.
Als er am Ende der Amtszeit Bach noch ein paar Worte mit auf dem Weg gab, klang es wie ein Eingeständnis, an wesentlichen Dingen gescheitert zu sein. «Die Qualität der Spiele ist wichtig, die finanzielle Situation des IOC ist wichtig und der Kampf gegen Spielabsprachen, Wettbetrug und Doping», betonte Rogge damals und fügte an: «Die Herausforderungen werden sich nicht groß ändern.»
Von den sechs Olympischen Spielen unter seiner Ägide blieb ein Event besonders in Erinnerung – und nicht nur in guter. Bei den Sommerspielen 2008 in Peking brachte ihn sein Schweigen zu den Unruhen in Tibet und den Attacken auf den Fackellauf in Bedrängnis. Auch zur mangelnden Pressefreiheit und der rigorosen Unterdrückung von Protesten in China sagte er nur, dass dies «nicht perfekt» gewesen sei. Das IOC könne in souveränen Staaten keine Veränderungen erzwingen und nicht «alle Krankheiten der Welt heilen».
Als Erbe hinterlässt Rogge die Olympischen Jugendspiele, die 2010 in Singapur auf seine Initiative aus der Taufe gehoben wurden. Sie sollen das Interesse der Jugend an der olympischen Idee und dem Sport – auch mit Hilfe der sozialen Medien und Trendsportarten – wecken.
In den zwölf Jahren seiner Präsidentschaft hat der Segler Rogge das IOC integer, aber auch bis an die Grenzen seiner physischen Kräfte geführt. Das Ende seiner Amtszeit hat er deshalb nicht nur als Erleichterung empfunden. Vielmehr war es für ihn eine Erlösung, von einer großen Bürde befreit zu sein, als der Deutsche Thomas Bach am 10. September 2013 sein Nachfolge antrat. «Ich habe meine Pflicht erfüllt und getan, was getan werden musste», sagte Rogge.