Gegen die «Helden» der Kindheit surfen: Glatzer lebt Traum

Leon Glatzer träumt bei seiner Olympia-Premiere sogar vom ganz großen Coup. «Jetzt kriege ich hoffentlich Gold in Tokio», sagt der Wellenreiter, der als einziger Deutscher beim Spiele-Debüt seiner Sportart antritt.

Angst vor großen Namen hat der 24-Jährige nicht. «Ich fühle mich sehr stark momentan», sagt er. Glatzer strahlt Selbstvertrauen, Coolness und Begeisterung aus. Lächelnd posiert er vor den olympischen Ringen, veröffentlicht Bilder aus dem olympischen Dorf und trainiert bei noch kleinen Wellen am Tsurigasaki Surfing Beach.

DWV: «Historischer Moment»

Dort sollen die Wettkämpfe an diesem Sonntag beginnen, sofern die natürlichen Bedingungen das zulassen. Schon dass Glatzer dann dabei ist, kommt einer Sensation gleich. Deutschland ist nicht gerade eine Surf-Hochburg. Die Championship Tour der weltbesten Wellenreiter findet seit Jahren ohne Beteiligung von Surfern aus der Bundesrepublik statt.

«Das ist für alle Surferinnen und Surfer in Deutschland ein historischer Moment, den Leon uns in die Wiege gelegt hat», sagt der Präsident des Deutschen Wellenreitverbandes (DWV), Philipp Kuretzky. Nach Glatzers Qualifikation bei den «World Surfing Games» in El Salvador Anfang Juni habe er «nur noch geheult. Ich kam gar nicht mehr aus dem Heulen raus – so hammermäßig finde ich das.» Beim DWV, der sich selbst als eine Art Start-up unter den Verbänden sieht, habe man eigentlich nie daran geglaubt, «dass wir überhaupt in den Deutschen Olympischen Sportbund aufgenommen werden», sagt Kuretzky.

Der Olympia-Status beschert Glatzer nicht nur unvergessliche Momente in Japan, sondern auch anderen ambitionierten deutschen Surfern bessere Bedingungen. «Er hat mein Leben und das von vielen Athleten komplett verändert», sagt Glatzer. Gefördert vom DWV, der Deutschen Sporthilfe und dem Bundesinnenministerium (BMI) trainieren die Athleten professioneller, werden bei Flügen zu Wettkämpfen finanziell unterstützt und können auf einen Sportpsychologen zurückgreifen.

Gelernt hat Glatzer das Surfen nicht in Deutschland. Der Sohn deutscher Eltern ist auf Hawaii geboren und in einem kleinen Dorf in Costa Rica aufgewachsen. Dort, im «Paradies», lebt er immer noch, wenn er gerade nicht reist. «Da gibt es nichts, nur eine gute Welle», sagt Glatzer.

«Ihnen habe ich als Kind zugeschaut»

In der Qualifikation befestigte er DIN-A4-Blätter mit Motivations-Notizen an der Hotelwand. «Du kannst es schaffen», stand auf einem. «Ich bin Leon Glatzer, ich bin der beste Surfer der Welt» auf einem anderen. «Jedes Mal, wenn ich aufgewacht bin, habe ich die Notizen gesehen, und jedes Mal, wenn ich ins Bett gegangen bin, waren sie das letzte, was ich gesehen habe», wird Glatzer vom Olympischen Informationsservice (OIS) zitiert.

Bei Olympia trifft er nun auf die ganz großen Surfstars im Feld der 20 Starter. «Gabriel Medina und John John Florence sind meine Helden», sagt Glatzer. Der Brasilianer Medina gewann 2014 und 2018 die Championship Tour, der US-Amerikaner Florence sicherte sich 2016 und 2017 den Titel. «Ihnen habe ich schon als Kind zugeschaut», erklärt Glatzer. Die beiden zählen auch bei Olympia zu den Favoriten. Im Gegensatz zu Glatzer, der sich davon seinen Optimismus aber nicht nehmen lässt.

Von Thomas Eßer, dpa