Olympia-Teilnehmerin Deborah Schöneborn hatte sich auf einem Youtube-Video schon mal angeschaut, «was man in Sapporo alles erleben kann».
Ein Trainingskollege musste schmunzeln, als die Berlinerin ihm vom Austragungsort der Marathon-Wettbewerbe in Japan erzählte: «Dann weißt du, was du alles verpasst. Wahrscheinlich werdet ihr nur das Hotel sehen und die Wettkampfstätte.»
Wie wahr: Sightseeing fällt für die Sportlerinnen und Sportler bei den Sommerspielen in Tokio flach – bis auf die Blicke aus den Shuttle-Bussen. Was nun tun, damit einem im olympischen Dorf zwischen den Wettkämpfen nicht die Decke auf den Kopf fällt?
Der Wettkampf steht im Fokus
«Es ist ja so, dass wir uns schon sehr lange darauf einstellen konnten. Es wird anders werden als normalerweise. Der olympische Wettkampf steht sowieso im Vordergrund», sagte Slalomkanutin Ricarda Funk. «Vielleicht fällt es uns ja dadurch leichter, in die gewohnte Wettkampfroutine rein zu finden.»
Auch der deutsche Fahnenträger Patrick Hausding hat keine Angst vor Langeweile. «Ich glaube, dass es sehr entspannt wird, weil wir eine Wohnung mit einzelnen Schlafzimmern haben und keine Hotelzimmer. Mal in einer WG zu leben, ist sicher auch ganz witzig. Die Jungs sind alle Mario-Kart-Fans, das werden wir auf jeden Fall spielen», sagte der Rekord-Europameister im Wasserspringen. «Sicher wird es auch mal einen Lagerkoller geben, weil jeder auf die Bedürfnisse der anderen eingehen muss. Aber ich bin der Älteste – also habe ich sowieso das Sagen.»
Die Athleten und Athletinnen dürfen ihr Dorf in Tokio wegen der Corona-Regeln nur auf direktem Weg zu ihren Wettkampfstätten verlassen. Wie «ein Knast mit großem Hofgang», so formulierte es Ruderer Marc Weber lachend – und ohne Klagen. Wer will, kann sich beim Friseur kostenfrei die Haare in Form bringen lassen, für ein obligatorisches Foto bei den großen olympischen Ringen am Wasser vorbeischauen oder sich in einem Shop mit Souvenirs eindecken.
Schach, Yoga oder Skat
Angesagt im Team D sind – im kleinen Kreis – die guten alten Gesellschaftsspiele. Natürlich bietet das World Wide Web endlose Unterhaltungsmöglichkeiten – und manchmal verbindet sich beides. «Mit Internet und iPad kann man Schach spielen, da wird mir schon nicht langweilig», sagte Kletterer Jan Hojer: «Wir haben auch eine Yogamatte dabei und viel Zeit, an unserer Beweglichkeit zu arbeiten.»
Bei den Tennis-Assen um Alexander Zverev steht abends oft Skat an. «Wir spielen immer ganz viel Karten, da wird um jeden Stich gekämpft», sagte auch Säbelfechter Max Hartung. Die Judokas lieben laut Amelie Stoll ebenfalls diese Abwechslung. In den Zimmern unterhalte man sich außerdem viel, tausche «seine Sorgen und Ängste aus». Und: «Wir begeistern uns alle sehr fürs Essen und da haben wir eine große Leidenschaft, die wir zusammen teilen können.»
Frühstück und alle weiteren Mahlzeiten gibt es in der 24 Stunden am Tag geöffneten Mensa. Normalerweise das Herz des olympischen Dorfs mit Begegnungen zwischen Superstars und Nischensport-Sympathieträgern, soll das aus Furcht vor Corona-Infektionen dieses Jahr nicht so sein.
«Das ist weniger ein Ort des Treffens geworden und mehr nur zur Nahrungsaufnahme und man geht wieder», erzählte Ruderer Weber. Die Scheiben auf den Tischen verhindern nicht nur die Ausbreitung von Tröpfchen, sondern auch die Verständigung.
Das Wichtigste ist Entspannung
So flüchten viele in die Filmwelt. «Ich bin zum Glück ein Netflix-Experte. Ich guck ja Netflix wie kein anderer», sagte Geher Christopher Linke und hat auch einen Tipp für eine Sportler-Doku: «The last dance» von Basketball-Ikone Michael Jordan.
Die Zeit totschlagen wollen und können viele Olympia-Teilnehmer aber dann doch nicht. «Ich werde mir ein paar gute Bücher und meine Uni-Unterlagen mitnehmen, mich ins Lesen vertiefen und dann wird die Zeit auch schnell vorbeigehen», sagte Weitsprung-Weltmeisterin Malaika Mihambo, die wie viele studiert (Umweltwissenschaften). Geher und Jurastudent Leo Köpp will möchte sich «aufs Examen vorbereiten».
Bei aller Ablenkung empfiehlt 400-Meter-Läuferin Karolina Pahlitzsch das Wichtigste: «Einfach entspannen!» Das sieht auch Speerwerfer und Schach-Fan Julian Weber so: «Werde auch entspannen, ein bisschen Yoga machen, meditieren – alles so Sachen, um den perfekten Fokus auf den Wettkampf zu bekommen.»