Völlig ausgepumpt lag Tadej Pogacar mit ausgestreckten Armen und Beinen auf dem Asphalt der Skistation von Peyragudes und rang sich ein Lächeln über seinen Prestigeerfolg ab.
Der Slowene war auf der vorletzten Pyrenäen-Etappe zu seinem angekündigten Attacken-Feuerwerk offenbar nicht in der Lage, feierte zwar seinen dritten Tagessieg bei der 109. Tour de France vor Spitzenreiter Jonas Vingegaard – doch der große Coup blieb aus. Durch den Erfolg verringerte Pogacar den Rückstand um lediglich vier Sekunden auf 2:18 Minuten auf den Dänen und muss am Donnerstag auf dem Weg nach Hautacam alles riskieren.
«Ich bin optimistisch. Morgen wird es noch härter und wir können es wieder versuchen», sagte Pogacar. Erst 300 Meter vor dem Ziel attackierte der 23-Jährige auf der 16 Prozent steilen Schlussrampe, Vingegaard konterte, ehe Pogacar noch einmal alle Kräfte mobilisierte. «Ich habe alles gegeben. Ich wusste, dass ich gewinnen musste. Einen anderen Weg gab es nicht.»
Der gejagte Vingegaard kündigte schon einmal an, dass es mit einem erneuten Etappensieg für Pogacar schwierig werden könnte. «Tadej hatte gute Attacken, aber ich konnte folgen. Eine Zielankunft wie diese liegt mir nicht so. Ich bin nicht so explosiv wie Tadej. Hautcam kommt mir eher entgegen», sagte der 25-Jährige.
Pogacar ließ sein auf drei Helfer reduziertes Team große Teile der 129,7 Kilometer langen Etappe arbeiten, besonders die Führung von Bergspezialist Brandon McNulty dezimierte das Feld. Der US-Amerikaner belegte am Ende in Peyragudes sogar den dritten Platz. «Wir können alle stolz sein, der Etappensieg ist ein großer Erfolg. Es gibt noch eine Chance, jetzt bin ich erst einmal glücklich», sagte Pogacar.
Geschke verteidigt erneut das Bergtrikot
Für den Glanzpunkt aus deutscher Sicht sorgte einmal mehr Simon Geschke. Mit über 23 Minuten Rückstand kam der Berliner ins Ziel, im Gepäck weitere Punkte für sein Bergtrikot. «Mich treibt mehr der Kopf an als die Beine. Das Trikot ist eine große Motivation. Am Ende wird es sich durch ein paar Punkte entscheiden», sagte Geschke. Seine Träume von der Fahrt in dem weißen Trikot mit den roten Punkten durch Paris am Sonntag werden immer realistischer. Am Mittwoch holte der 36-Jährige an der ersten Steigung erneut Punkte und verteidigte die Führung in der Wertung. Am zweiten Anstieg hatte Geschke Pech, als ihm kurz vor dem Gipfel die Kette herunterfiel. Danach wurde Geschke von der Gruppe der Favoriten eingeholt.
Am Donnerstag könnte es Geschke auf dem Weg nach Hautacam reichen, wenn er die erste Bergwertung am legendären Col d’Aubisque für sich entscheidet. Seine härtesten Konkurrenten im Kampf um das Trikot sind die Hauptdarsteller dieser Tour. Auf Vingegaard beträgt der Vorsprung zwölf Punkte, auf Pogacar 18.
«Er braucht noch einen guten Tag. Es wäre eine historische Leistung», sagte Geschkes Teamkollege Maximilian Walscheid der ARD. Der 29-Jährige musste die Tour am Dienstag mit einem positiven Corona-Test verlassen, war bis dahin Geschkes Zimmerkollege. «Er geht mit der Aufmerksamkeit um ihn sehr gut um», sagte Walscheid. Allein Geschkes Follower-Zahl bei Instagram ist durch die Zeit im Bergtrikot um etwa 25 Prozent gestiegen. Der Kampf um das Grüne Trikot ist bereits beendet. Wout van Aert ist in der Wertung nicht mehr einholbar und muss nun nur noch Paris erreichen.
Pogacar hat nur noch einen Helfer
Das hofft Pogacar vor allem für den Rest seiner Mannschaft. Am Mittwochmorgen musste er durch den Ausfall von Rafal Majka den nächsten schweren Rückschlag hinnehmen. Der Pole hatte sich einen Teilriss des Oberschenkelmuskels zugezogen, als ihm am Vortag am letzten Berg die Kette gerissen war. Zudem fiel der erkrankte Spanier Marc Soler aus dem Zeitlimit und ist raus. Damit hat Pogacar im US-Amerikaner McNulty nur noch einen Helfer in den Bergen. Der Schweizer Marc Hirschi und der Däne Mikkel Bjerg sind eher Spezialisten für flache und hügelige Etappen.
Die Tour meldete zudem den zwölften Corona-Fall. Der Belgier Tim Wellens wurde am Mittwoch positiv getestet und muss das Rennen verlassen. Er habe milde Symptome, teilte sein Lotto-Soudal-Rennstall vor der 17. Etappe mit. Wellens lag weit abgeschlagen auf dem 121. Platz der Gesamtwertung.