In der Mittagshitze von Tokio hängte Alexander Zverev noch eine Extraschicht hinten dran. Jan-Lennard Struff, Kevin Krawietz und Tim Pütz waren nach dem gemeinsamen Doppeltraining schon verschwunden.
Auch Davis-Cup-Teamchef Michael Kohlmann eilte im Laufschritt davon, weil die Zeit bis zur letzten Bus-Abfahrt drängte. Doch der Hamburger schnappte sich noch den Pappkarton mit den Tennisbällen und übte Aufschläge. Die Motivation, eine Olympia-Medaille zu gewinnen, sei «riesig», sagte Zverev der Deutschen Presse-Agentur, als alle Bälle wieder eingesammelt waren und er an der Bank von Außenplatz neun seine Sachen einpackte.
Turnier beginnt Samstag
Der Weltranglisten-Fünfte geht das am Samstag beginnende Turnier im Ariake Tennis Park mit Optimismus an und will seiner Rolle als einer der Mitfavoriten im Einzel gerecht werden. Sein Erstrundenmatch gegen Yen-Hsun Lu aus Taiwan steht erst am Sonntag an, im Doppel tritt er gemeinsam mit dem Sauerländer Struff bereits am Samstag an. Pütz und Krawietz bilden das andere deutsche Herren-Doppel. Es werde «hoffentlich nicht nur eine» Medaille, sagte Zverev schmunzelnd: «Aber eine Goldmedaille wäre auch schön.»
Als Angelique Kerber vor fünf Jahren in Rio de Janeiro die Silbermedaille gewann, hatte Zverev aus gesundheitlichen Gründen gefehlt. In Japan soll eine erfolgreiche Premiere bei den Olympischen Spielen auch über die Enttäuschung seines Achtelfinal-Ausscheidens kürzlich in Wimbledon hinweghelfen. Und dafür muss er eben auch Training in der vollen Sonne und bei mehr als 30 Grad aushalten. «Man muss sich daran gewöhnen. Wenn du die ganze Zeit abends trainierst und dann am Spieltag tagsüber spielen musst, kommst du raus, spielst drei Spiele und dann ist es vorbei», erklärte der 24-Jährige.
Im teaminternen Doppel mit Struff gegen die Spezialisten Krawietz und Pütz blieb Zverev am Freitag zwar chancenlos. Der guten Laune dürfte das aber keinen Abbruch tun. Seit Zverev Anfang der Woche mit dem Team in den Flieger gestiegen ist, ist der Spaß groß. Abends wird Skat gespielt. Es wird auch beim Training oft geflachst und gelacht. Viel Zeit für Freizeit blieb laut Zverev nicht: «Wir haben versucht, uns vorzubereiten, um hier so gut wie möglich zu spielen.»
Teamspirit soll Extraschub geben
Der Olympia-Debütant freut sich darauf, Deutschland zu vertreten. Der Teamspirit ist eine willkommene Abwechslung zur gewohnten ATP-Tour und soll einen Extraschub geben, auch wenn Zverev zugleich ohne seine eigene «Crew» um seinen Vater auskommen muss. «Es ist definitiv so, dass er die anderen motiviert, die Jungs motivieren ihn», sagte Herren-Teamchef Michael Kohlmann. Zverev warnte: «Am Ende des Tages bist du auf dem Platz trotzdem alleine.»
Im Einzel-Tableau ist die deutsche Nummer eins an Position vier gesetzt. Die Absagen der Topstars Rafael Nadal aus Spanien und Roger Federer aus der Schweiz sowie das Fehlen des italienischen Wimbledon-Finalisten Matteo Berrettini und des österreichischen US-Open-Siegers Dominic Thiem haben seine Chancen noch vergrößert.
Djokovic möglicher Gegner
Um ins Finale zu kommen, müsste Zverev aber den absoluten Topfavoriten besiegen. Sein potenzieller Halbfinalgegner ist der in diesem Jahr überragende Weltranglistenerste Novak Djokovic.
Der Serbe kann in Tokio einen weiteren Schritt auf dem erhofften Weg zu einer ganz speziellen Geschichte schaffen. Er hat in dieser Saison schon bei den Australian Open, den French Open und in Wimbledon triumphiert. Im September hat Djokovic die Chance, auch die US Open für sich zu entscheiden und damit den Grand Slam perfekt zu machen. Holt er zuvor Olympia-Gold, wäre sogar der Golden Slam möglich, der zuletzt Steffi Graf 1988 gelang. Sollte es zu diesem Halbfinal-Duell kommen, will Zverev der Spielverderber werden. «Wir sind froh, wenn das Turnier losgeht», sagte er über die Stimmung im deutschen Team.