Seinen historischen 100. Grand-Prix-Sieg und die Rückeroberung der Formel-1-Spitze feierte Lewis Hamilton glücklich in den Armen seines Mercedes-Teams.
Im Nieselregen von Sotschi fing der Mercedes-Superstar dank eines späten Reifenwechsels noch den lange führenden McLaren-Fahrer Lando Norris ab und bejubelte erleichtert den nächsten Meilenstein seiner Ausnahme-Karriere. «Es hat lange gedauert, die 100 zu schaffen. Und ich war mir gar nicht sicher, ob das wirklich jemals reichen wird», sagte Hamilton, der seinen Rivalen Max Verstappen wieder auf Gesamtplatz zwei verdrängte: «Das ist ein magischer Moment. Ich konnte von so etwas nur träumen.»
Doch auch der Niederländer konnte schwer zufrieden sein, nachdem er wegen eines Motorenwechsels von ganz hinten starten musste und sich mit viel Geschick 18 Positionen auf Rang zwei vorgearbeitet hatte. «Ich habe dieses Resultat nicht erwartet, als ich heute Morgen aufgewacht bin. Der Regen hat uns geholfen, den letzten Schritt zu machen», sagte der Red-Bull-Fahrer. Nur zwei Punkte liegt Verstappen bei noch sieben ausstehenden Rennen in diesem Jahr hinter Hamilton – das hochspannende Titelrennen bleibt weiter völlig offen. Mit 100 Siegen hat Hamilton seinen Vorsprung in der ewigen Bestenliste ausgebaut, Zweiter ist Michael Schumacher mit 91 Erfolgen.
Vettel nur Zwölfter
Dritter beim Großen Preis von Russland wurde Ferrari-Fahrer Carlos Sainz. Ex-Weltmeister Sebastian Vettel kam im Aston Martin nur auf Rang zwölf und verpasste das vierte Mal nacheinander die Punkteränge. Fast hätte er noch Zähler mitgenommen, doch auch sein Team schätzte den Regen falsch ein. «Unterm Strich hätten wir eine Runde früher reingemusst, da haben wir unser Rennen verloren», sagte der 34-Jährige aus Heppenheim. Mick Schumacher schied nach etwas mehr als der Hälfte des Rennens wegen eines Defekts an seinem Haas-Auto aus.
«Heute haben die Strategieabteilung und der Wetterfrosch das Rennen gewonnen», sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. Als es kurz vor Schluss plötzlich noch zu regnen begann, wurde Hamilton an die Box beordert, Norris tat das nicht. Er wollte unbedingt zu Ende fahren – ein schwerer Fehler. «Wir haben uns verzockt zusammen mit Lando», sagte McLarens deutscher Teamchef Andreas Seidl bei Sky. «Das ist eine große Enttäuschung für ihn.» Der 21-Jährige hatte den ersten Sieg seiner Karriere vor Augen, fuhr aber nur als Siebter ins Ziel.
Der späte Schauer sorgte auf der einen Seite für Frust, auf der anderen für Erleichterung. Denn nicht nur Hamilton profitierte. «Der Regen hat uns geholfen. Ein Podium wäre sonst nicht drin gewesen», sagte Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko. Nach dem Verlust der WM-Führung will der Rennstall um Herausforderer Verstappen schnell zurückschlagen. Möglichst schon in zwei Wochen in der Türkei. «Wir fühlen uns stark genug und werden auch angreifen», sagte Marko.
Verstappen musste sich nach vorne arbeiten
Hamilton ist nun erneut in der Rolle des Gejagten. Seinen achten Weltmeistertitel hat der Rekordweltmeister wieder klarer vor Augen. In Sotschi schaffte er im Mercedes seinen fünften Saisonsieg und verlängerte eine besondere Serie. Auch im achten Rennen in der Olympiastadt gewann wieder ein Silberpfeil, obwohl es danach zu Beginn gar nicht aussah. Hamilton war als großer Favorit in die Qualifikation gegangen, wurde dieser Rolle durch eigene Fehler aber nicht gerecht und konnte so nur vom vierten Platz loslegen.
Beim Start fiel er sogar auf Rang sieben zurück. Nach seiner Motorenstrafe musste sich Verstappen derweil mühsam nach vorne arbeiten. Als 20. war der siebenmalige Saisonsieger auf den Hochgeschwindigkeitskurs gegangen. Überholmanöver sind in Sotschi recht schwierig, trotzdem nutzte Verstappen seinen überlegenen Wagen gekonnt, um schnell Plätze gutzumachen.
Eine schnellste Runde nach der anderen
Sotschi-Rekordsieger Hamilton hatte nach einem Drittel des Rennens mehr als neun Sekunden Rückstand auf den Führenden Norris, Verstappen eilte von hinten heran. Nur fünf Punkte betrug Verstappens WM-Vorsprung vor dem Start. Nach der Hälfte der Renndistanz lag Hamilton als Zweiter zwölf Sekunden hinter Norris, Verstappen kam als Fünfter länger nicht an Altmeister Fernando Alonso vorbei.
«Du kannst das Rennen gewinnen», rief Toto Wolff, Motorsportchef bei Mercedes, Hamilton per Funk zu. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete sich der Superstar der Silberpfeile Sekunde um Sekunde an Norris heran und hielt Verstappen auf Abstand. Hamilton zeigte eine schnellste Runde nach der anderen. Youngster Norris konterte seinerseits mit Bestzeiten – dann wurde es dramatisch. Der einsetzende Regen machte es rutschig. Norris kam kurz vor Ende gleich zweimal von der Piste ab, Hamilton wechselte die Reifen. Das war der Schlüssel zum Sieg.