Harz-Kaugummi und Douglasien-Smoothie: Vettel im Wald

An einer kleinen Lichtung hinter der legendären Nordschleife des Nürburgrings mixt Sebastian Vettel einen Smoothie.

Der viermalige Formel-1-Weltmeister wählt an diesem heißen Nachmittag im September für das kühle Mixgetränk Apfelsaft, Banane und selbst gesammelte Douglasiennadeln. «Kann man das wirklich trinken?», fragt eine der Grundschülerinnen. Ja, kann man, und so schlecht schmeckt ihr der Douglasien-Smoothie dann auch nicht.

Vettel erkundet zusammen mit dem Förster und Buchautor Peter Wohlleben, der in der Region lebt und arbeitet, sowie einer vierten Klasse aus dem benachbarten Wershofen den Wald hinter der früheren Formel-1-Strecke. Die Natur soll den Kindern spielerisch nähergebracht werden. Dafür nutzen sie in der Eifel ein Baumtelefon, säen die Samen des Bergahorns oder mixen eben Smoothies. Am Ende bekommen die Grundschüler auch eine Urkunde und dürfen sich als «Green Rangers» (grüne Waldhüter) bezeichnen.

«Müssten alle viel mehr tun»

«Wir müssten alle viel mehr tun. Die Zeit etwas zu tun, ist nicht heute, morgen oder übermorgen, sie war schon gestern. Wichtig ist, dass Veränderung im Kopf anfängt. Man muss sich darauf besinnen, was man selber in der Hand hat», fordert Vettel im Gespräch der Deutschen Presse-Agentur mehr Engagement für den Umweltschutz.

Es gehe nicht um Schlagwörter wie radikal oder Verzicht, «sondern jeder kann für sich schon sehr viel tun, auch wenn es noch so klein ist. Man muss damit anfangen, das ist das Entscheidende. Daraus kann dann immer mehr werden. Das kann im positiven Sinne ansteckend und inspirierend für die nächste Generation sein», sagt Vettel. Zum Beispiel für eine vierte Klasse aus Wershofen.

Nachhaltigkeit und Umweltschutz haben Vettel zum Ende seiner Formel-1-Karriere immer mehr beschäftigt. In Miami etwa warnte er angesichts steigender Meeresspiegel vor Hochwasser und in Montreal kritisierte er die Förderung von Ölsand, für die Urwälder gerodet werden müssen.

«Das alte Leben steckt in mir und natürlich steckt die Leidenschaft Motorsport in mir. Der Sport ist mir wichtig, er hat mich mein Leben lang geprägt und mir so viel gegeben. Aber ich glaube, wir müssen den nächsten Gang oder ein paar Gänge höher schalten und versuchen, das Ganze verantwortungsbewusster zu gestalten», betont Vettel. 

Sorge um den Planeten

«Es geht um den Planeten, aber in erster Linie auch um uns selbst, um unser Leben, so wie wir es liebgewonnen haben und um die Freiheit, die wir genießen. In so einem freien Land bin ich aufgewachsen, und das sollte man auch weitergeben.»

Zuletzt eröffnete Vettel in Suzuka Insektenhotels, um das Bewusstsein für Artenvielfalt zu schärfen. «Es ist einfach ein Wunder, dass alles in der Natur ineinandergreift und so perfekt aufeinander abgestimmt ist. Wenn man eine Parallele ziehen würde zum Rennsport, müsste man sagen, dass es dieses perfekte Setup wirklich gibt», sagt Vettel. «Wir als Menschheit agieren aber hier und da nicht so hilfreich. Wir selber können so viel Gutes bewirken, im Großen und im Kleinen.»

Vettel hat sich von der Formel 1 entfremdet, deshalb hat er Ende vergangener Saison auch seine Karriere beendet. Er widmet sich seitdem mehr seiner Frau und den drei Kindern sowie seinen Nachhaltigkeitsprojekten. Ganz ohne die Motorsport-Königsklasse kann er aber doch nicht leben, wie sein Auftritt Ende September in Japan zeigte.

Formel-1-Comeback (fast) ausgeschlossen

Lockt ihn die Formel 1 doch noch einmal zurück? «So etwas kann man nie ausschließen, aber irgendwann ist die Zeit vorbei. Mein Alter war nicht das Thema und es war meine Entscheidung, den Schlussstrich zu ziehen. Aber ich habe ihn nicht gezogen, um ihn ein Jahr später wieder aufzuheben», sagte Vettel. 

«Ich habe das Privileg, mehr Zeit mit meiner Familie und meinen Kindern zu verbringen, das hat Priorität. So wie ich die Welt in den letzten Jahren wieder neu entdeckt habe, so ist die Formel 1, so groß sie auch sein mag, doch immer kleiner geworden.»

Ein Motorsport-Comeback hält sich Vettel aber auch in der Sportwagen-WM offen. Er könnte künftig in der Langstrecken-Weltmeisterschaft starten. Tests für das britische Jota-Team um den deutschen Teamchef Dieter Gass sind im Gespräch.

Konkrete berufliche Pläne hat Vettel weiter nicht ausgearbeitet. «Genau das war aber auch meine Intention: Nicht direkt die nächste Aufgabe anzunehmen oder ins nächste Cockpit zu steigen und erstmal die Seite an mir kennenzulernen, die alles probieren kann und Zeit hat», erklärte Vettel. 

«Ich lebe in einer Phase, wo man sich selber ein bisschen anders spüren kann, entdecken kann. Gleichzeitig genieße ich die Zeit mit der Familie sehr. Deswegen kann ich nicht diese Traumantwort geben, was künftig auf meinem Zahlenstrahl steht.»

Von Martin Moravec (Text) und Thomas Frey (Foto), dpa