Heimpleite: Leipzig blamiert sich gegen Donezk

Domenico Tedesco nahm den Schlusspfiff beim nächsten desolaten Leipzig-Auftritt regungslos hin, ein paar Meter weiter feierten die Profis von Schachtjor Donezk ausgelassen ihren emotionalen Sieg.

Das 1:4 (0:1) des deutschen Pokalsiegers gegen den ukrainischen Meister am Dienstagabend zum Start der Champions League war kein gewöhnliches Königsklassenspiel. Für Tedesco bedeutet die nächste bedenkliche Pleite weitere Tage der Diskussionen um seinen Job – die Bundesligapartie am Samstag gegen Borussia Dortmund könnte schon ein Fußball-Endspiel für den Trainer werden.

Tedesco völlig enttäuscht

«Es ist schwierig, die passenden Worte zu finden, da bin ich ganz ehrlich. Der Spielverlauf war Wahnsinn», sagte Tedesco beim Internet-Sender DAZN. «Wenn die Fans unzufrieden sind, können sie das zum Ausdruck bringen.» Um seinen Job mache er sich «überhaupt keine Gedanken. Ich bin natürlich völlig enttäuscht nach dem Spiel.»

Die Profis des vom Krieg geplagten ukrainischen Clubs hielten nach der Partie eine große Fahne mit ihren Landesfarben in die Kamera. Für Schachtjor war es das erste internationale Pflichtspiel seit der russischen Invasion. In der heimischen Liga wird ohne Publikum und unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen gespielt.

Marian Schwed (16. Minute/59.), Mychajlo Mudryk (76.) und Lassina Traoré (76.) schockten den Großteil der 41 591 Fans. Der zwischenzeitliche Ausgleich durch Mohamed Simakan (57.) hielt nicht einmal zwei Minuten. «Wir laufen an, machen das 1:1, mit dem nächsten Torschuss fliegt das Ding wieder rein», klagte Tedesco.

Schon die Leipziger Generalprobe beim 0:4 in Frankfurt war ordentlich misslungen. «Der Trainer kann auch nichts dafür, wenn gar keine Laufbereitschaft vorhanden ist, und die Zweikampfbereitschaft total fehlt», hatte Clubchef Oliver Mintzlaff kurz vor dem Anpfiff bei DAZN gesagt – und Besserung sowie eine «Reaktion» gefordert.

Forsberg überraschend auf der Bank

Im für Tedesco ungewöhnlichen 4-4-2-System zeigte sich Leipzig zumindest in den ersten Minuten stabiler, aber nicht deutlich besser. Spielmacher Emil Forsberg saß überraschend zu Beginn auf der Bank, für den verletzten Dani Olmo spielte stattdessen Dominik Szoboszlai. Neuzugang Abdou Diallo kam zu seinem Debüt. Christopher Nkunku scheiterte früh an Schachtjor-Torwart Anatolij Trubin (12.), Nationalspieler Timo Werner entwickelte in der ersten Halbzeit auf der linken Seite kaum Gefahr.

Die Ukrainer waren für den Bundesligisten schwer einzuschätzen gewesen. Infolge des Angriffs der russischen Streitkräfte haben nahezu alle ausländischen Profis den Club verlassen, der neue Trainer Igor Jovicevic kam im Juli. Im Gästeblock feierten 700 Donezk-Fans das Führungstor nach einem folgenschweren Abspielfehler von Peter Gulacsi weit vor dessen Strafraum. Schwed luchste dem Torwart gedankenschnell den Ball ab und traf ins leere Tor.

Keine zwingenden Chancen

RB tat sich schwer, den Rückschlag zu verarbeiten. Die Leipziger blieben das augenscheinlich überlegene Team, erspielten sich aber zu lange keine zwingenden Chancen und waren viel zu einfach zu verteidigen. Tedesco stand zeitweise stoisch an der Seitenlinie, Versuche wie von André Silva in der 29. Minute wirkten überhastet. Immerhin hatte der Bundesligist in dieser Phase auch keine Mühe mit der Gästeoffensive – das Jovicevic-Team musste allerdings auch nicht mehr tun.

In der zweiten Halbzeit – jetzt mit dem eingewechselten Nationalspieler David Raum – entwickelte sich zunächst das erwartete Spiel auf ein Tor. RB setzte Schachtjor früh unter Druck, Werner rückte mehr ins Zentrum. Simakan belohnte das Anrennen nach Vorlage von Szoboszlai – fast unmittelbar nach dem Wiederanpfiff erzielte Schwed aber sein zweites Tor. Willi Orban fälschte den Schuss des 25-Jährigen unhaltbar ab, die Schachtjor-Profis rannten jubelnd zu ihrem Trainer.

Gut zwanzig Minuten vor dem Ende wechselte Tedesco doppelt, Forsberg und Benjamin Henrichs kamen für Werner und Xaver Schlager. Die nächsten Tore kamen aber wieder von Donezk. Mudryk schloss einen Konter mustergültig ab. Traoré sorgte endgültig für die Entscheidung.

Von Tom Bachmann und Jan Mies, dpa