«Heulen» oder «freuen»: Fehlschuss kostet Doll Silber

Benedikt Doll streckte sich auf der Ziellinie ein letztes Mal, doch für den nächsten Coup der deutschen Biathleten war es da schon zu spät.

Einen Tag nach Gold für Denise Herrmann vergab der Schwarzwälder im Einzel über 20 Kilometer mit einem Fehler im letzten Schießen die mögliche Silbermedaille und wurde Sechster. Nach insgesamt zwei Strafminuten hatte der 31-Jährige in Zhangjiakou 1:07,1 Minuten Rückstand auf Olympiasieger Quentin Fillon Maillet aus Frankreich. Zu Bronze im Klassiker fehlten im Ziel nur 36 Sekunden.

Druck durch die frühe Strafminute

«Ich weiß nicht so ganz, ob ich heulen oder mich freuen soll. Von der Platzierung kann man sich recht wenig kaufen», sagte Doll. Die erneut verpasste Medaille ärgerte ihn mindestens genau so wie zuvor am Samstag, als es für Doll mit der Mixed-Staffel nur zum fünften Platz gereicht hatte. «Aber es stimmt mich positiv, dass ich gut und stabil schießen kann. Das ist ein gutes Signal für die nächsten Rennen. Das gibt mir auf jeden Fall Selbstbewusstsein», sagte der zweimalige Bronze-Gewinner der Winterspiele von Pyeongchang vor vier Jahren.

Und nach ein wenig Analyse war es dann auch nicht nur das letzte Schießen, das Doll zum Verhängnis wurde. «Eigentlich hätte ich liegend fehlerfrei bleiben müssen, dann hätte ich vielleicht noch den einen Fehler als Puffer gehabt», sagte der Sprint-Weltmeister von 2017. Doch die frühe Strafminute im ersten Anschlag brachte ihn schon in der Anfangsphase des harten Rennens in der Dämmerung unter Druck. «Ich habe auf jeden Fall noch Reserven», sagte Doll. Am Samstag ist er im Sprint über zehn Kilometer das nächste Mal gefordert.

Für Rees «ein gewonnener siebter Platz»

Auch in diesen Wettkampf geht der Franzose Fillon Maillet als großer Favorit. Hinter ihm holte im ersten Individualwettbewerb der Spiele der fehlerfrei schießende Anton Smolski aus Belarus Silber. Norwegens Star Johannes Thingnes Bö, der zwei Fehler schoss, sicherte Bronze.

Zwischenzeitlich hatte in Roman Rees ein zweiter Deutscher gute Aussichten auf einen Podestplatz, mit einem Schießfehler wurde der 28-Jährige aber schließlich Siebter. «Insgesamt ein sehr, sehr gutes Rennen für mich», sagte Rees. «Im Nachhinein wäre sogar das Podium mit viermal null drin gewesen. Das ist ein gewonnener siebter Platz, das überwiegt für mich, es war für mich ein super Rennen.» Johannes Kühn (6 Fehler) als 51. und Erik Lesser (5) als 67. blieben hingegen weit hinter den Erwartungen zurück und enttäuschten.

Kühn verabschiedete sich schon beim ersten Schießen aus dem Medaillenrennen und setzte nach dem ersten Versuch gleich noch zwei weitere daneben. «Das Rennen war praktisch nach zehn Minuten gelaufen», sagte der Bayer: «Das war ein Schlag ins Gesicht. Ich bin überhaupt nicht zufrieden damit, was ich da gemacht habe.» Dabei waren die Bedingungen wie schon im Frauen-Einzel besser, weil der Wind nicht so stark wehte. Am Ende hatte der in diesem Winter schon beim Sprint im Weltcup erfolgreiche 30-Jährige aus Reit im Winkl sogar sechs Strafminuten gesammelt.

Maillet war viel schneller unterwegs

Johannes Thingnes Bö, der Norwegen noch das Gold in der Mixed-Staffel gerettet hatte, erlaubte sich liegend gleich einen Fehler und jagte den noch vor ihm gestarteten Russen Maxim Zwetkow, der lange fehlerlos schoss, aber nicht so schnell in der Loipe war. Dort zog Bö schon vor dem zweiten Schießen vorbei und versuchte, seinen Vorsprung immer weiter auszubauen.

Auch beim letzten Schießen unterlief Bö ein Fehler, doch weil Zwetkow den 20. Schuss danebensetzte, vergab der Russe die Chance auf den möglichen Olympiasieg. 3,8 Sekunden fehlten Zwetkow am Ende zu Bronze. Noch viel schneller unterwegs war Fillon Maillet. Der 29-Jährige stürmte nahezu unbemerkt an die Spitze, obwohl er am Schießstand zweimal patzte. In der Mixed-Staffel hatte er sich Bö im Schlussspurt noch geschlagen geben müssen. Smolski belohnte sich für sein fehlerloses Schießen mit der Silbermedaille – die hätte auch Doll gerne gehabt.

Von Thomas Wolfer, Florian Lütticke und Robert Semmler, dpa