Hinze und Friedrich rasen zu Silber – Vierer mit Weltrekord

Emma Hinze und Lea Sophie Friedrich nahmen sich auf dem großen Podest ein wenig schüchtern an die Hand, dann zauberte die Silbermedaille allmählich doch ein Lächeln in das Gesicht der beiden Turbo-Sprinterinnen.

«Wenn man Silber gewinnt, hat man den Lauf verloren. Dann ist man erstmal enttäuscht. Aber jetzt freue mich einfach, dass wir diese Medaille haben», sagte Dreifach-Weltmeisterin Hinze nach dem spektakulären Bahnrad-Auftakt bei den Olympischen Spielen auf der Highspeed-Bahn von Izu und Friedrich ergänzte: «Jetzt sind wir megastolz». Die Winzigkeit von 0,085 Sekunden hat den noch so jungen Stars im deutschen Team bei der Weltrekord-Show zum Olympiasieg gefehlt.

«Es war superknapp»

Ein Wimpernschlag schneller und das Duo hätte die Nachfolge der Golden Girls Kristina Vogel und Miriam Welte angetreten. Ein dickes Lob gab es trotzdem von Vogel, die als Expertin auf der Tribüne hin und weg war. «Ich freue mich mega. Silber ist gewonnen», sagte die seit 2018 querschnittsgelähmte Rekord-Weltmeisterin und sprach von einem «wunderschönen Bahnrad-Tag», an dem der deutsche Frauen-Vierer mit einer furiosen Weltrekord-Fahrt einen großen Anteil hatte.

Im Mittelpunkt standen aber dieses Mal Hinze, gerade einmal 23 Jahre alt, und die noch zwei Jahre jüngere Friedrich. Gleich zweimal pulverisierte das Duo den deutschen Rekord der London-Siegerinnen Vogel und Welte auf nun 31,905 Sekunden. «Der Lauf war fast perfekt», schwärmte Bundestrainer Detlef Uibel. Nur die Chinesinnen Bao Shanju und Zhong Tianshi waren noch etwas besser und fuhren sogar Weltrekord. «Es war superknapp. Wir haben schon gedacht, dass wir sie schlagen können», sagte Hinze.

Es war den ganzen Tag ein Kräftemessen auf allerhöchstem Niveau. In der Qualifikation legte das deutsche Team die Bestzeit vor, dann antworteten die Asiatinnen, ehe es zum großen Showdown vor 1000 restlos begeisterten Zuschauern kam. «Alle kommen hierher und wollen eine Medaille. Von daher ist das schon ein anderer Tobak», meinte Hinze mit Blick auf die tollen Tage von Berlin kurz vor Beginn der Corona-Pandemie vor 18 Monaten, als sie die Konkurrenz bei der WM dominierte. Seitdem war das Duo keine WM, EM oder Weltcups mehr gefahren. Die Ungewissheit war groß vor dem Rennen, doch die Zweifel waren in weniger als 32 Sekunden wie weggewischt.

Vierer mit Weltrekord

Und die nächste deutsche Medaille auf dem Holzoval ist auch schon greifbar. Der deutsche Frauen-Vierer fuhr sensationell einen Weltrekord in der Qualifikation und greift am Dienstag nach Gold. Franziska Brauße (Eningen), Lisa Brennauer (Durach), Lisa Klein (Erfurt) und Mieke Kröger (Bielefeld) wurden in 4:07,307 Minuten gestoppt und verbesserten damit die alte Fabelzeit der britischen Frauen um fast drei Sekunden.

«Wir hatten einen richtig guten Tag. Wir sind super stolz und nehmen das als Motivation für morgen mit», sagte Brennauer und fügte hinzu: «Träumen darf man immer. Wir wollen das Rennen mit der gleichen Konzentration durchziehen und dann ist alles drin.»

Vergessen war da der Ärger über das Teamquartier im Athletendorf, von dem sich Hinze «geschockt» gezeigt hatte und das Teamkollege Maximilian Levy «unterirdisch» fand. Die Bahnradasse holten das ersehnte Edelmetall, nachdem zuvor im deutschen Team mit dem Corona-Fall von Radprofi Simon Geschke, dem Rassismus-Skandal um den inzwischen abgereisten Sportdirektor Patrick Moster und einer medaillenlosen ersten Woche alles schiefgegangen war. So wog die ohnehin schon schwere Last auf den schmächtigen Schultern von Dreifach-Weltmeisterin und Topfavoritin Hinze noch ein wenig schwerer.

Der deutsche Männer-Vierer fiel bei der großen Gala-Vorstellung der Teamkolleginnen ein wenig ab. Theo Reinhardt (Berlin), Felix Groß (Leipzig), Leon Rohde (Hamburg) und Domenic Weinstein (Villingen-Schwenningen) lagen in der Qualifikation in 3:50,830 Minuten zwar nur eine halbe Sekunde über dem deutschen Rekord. Trotzdem reichte das nur zu Platz sieben, womit maximal Bronze möglich ist.

Das Ambiente stimmte beim Auftakt in Izu auch. Im Gegensatz zu den Wettkämpfen in Tokio waren im gut 120 Kilometer entfernten Izu Zuschauer erlaubt. Die Entscheidung darüber liegt bei den jeweiligen Präfekturen.

Von Stefan Tabeling und Tom Bachmann, dpa